ERBRECHT
Kein Erbe wegen Pflege
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Frankfurt am Main (jur). Sollen Mitarbeiter oder die Leitung ambulanter Pflegedienste beim Erbe eines Betreuten bedacht werden, ist dies nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Nur wenn das Pflegedienstpersonal nachweisen kann, dass die Erbeinsetzung nichts mit der Erfüllung der Pflichten aus dem Pflegevertrag zu tun hat, kann das Erbe später angetreten werden, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Freitag, 29. Mai 2015, veröffentlichten Beschluss (Az.: 21 W 67/14). Zumindest nach den hessischen Vorschriften muss bewiesen werden, dass kein Zusammenhang zwischen Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestanden hat.
Im konkreten Fall hatte die Geschäftsführerin eines Pflegedienstes aus Frankfurt am Main anlässlich eines Krankenhausaufenthaltes im Jahr 2006 eine ältere Frau kennengelernt. In der Folgezeit besuchte sie die kinderlose Frau regelmäßig, unternahm mit ihr gemeinsame Ausflüge und aß mit ihr zusammen zweimal wöchentlich zu Mittag.
Neben der freundschaftlichen kam es auch zu einer geschäftlichen Beziehung. Die ältere, kinderlose Frau wurde pflegebedürftig. Die Pflege übernahm der ambulante Pflegedienst der Geschäftsführerin.
Die Frau schloss im September 2012 mit der Geschäftsführerin einen Erbvertrag, in dem diese als Alleinerbin eingesetzt wurde. Als sie knapp ein Jahr später starb, wollte die Pflegedienst-Chefin das Erbe von rund 100.000 Euro antreten.
Doch der Erbvertrag ist wegen des Verstoßes gegen das Hessische Gesetz über Betreuungs- und Pflegeleistungen unwirksam, stellte nun das OLG in seinem Beschluss vom 12. Mai 2015 klar. Danach sei es der Leitung und den Mitarbeitern einer Betreuungs- und Pflegeeinrichtung verboten, sich von Pflegebedürftigen neben der vereinbarten Vergütung Geld für die Pflegeleistungen versprechen oder gewähren zu lassen.
Nach den hessischen Regelungen gelte dies ausdrücklich auch für ambulante Pflegeeinrichtungen und deren Leitung. Die Hilf- oder Arglosigkeit pflegebedürftiger Menschen solle so in finanzieller Hinsicht nicht ausgenutzt werden. Ein Verstoß liege bei einer Erbeinsetzung allerdings nur dann vor, wenn diese im Zusammenhang mit der Erfüllung der pflegevertraglichen Pflichten erfolgt.
Nach dem Gesetz werde dies grundsätzlich vermutet. Die Geschäftsführerin hätte daher das Gegenteil beweisen müssen, um das Erbe erhalten zu können. Zwar habe sie eine freundschaftliche Beziehung zu der Verstorbenen gepflegt. „Es könne aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass kein Zusammenhang zwischen dem Erbvertrag und den Pflegeleistungen bestanden habe“, so das OLG. Eine Trennung zwischen Freundschaft und Geschäftsbeziehung sei nicht erkennbar und wohl auch praktisch unmöglich.
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