SOZIALRECHT
Kein unbefristeter Schwerbehindertenausweis möglich
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Stuttgart. Schwerbehinderte Personen haben grundsätzlich keinen Anspruch auf einen Schwerbehindertenausweis ohne Befristung. Auch wenn die Schwerbehinderteneigenschaft in einem gerichtlichen Vergleich auf unbestimmte Zeit vereinbart wird, ist letztlich nur der erteilte spätere Bescheid und die darin enthaltene Befristung maßgeblich, so die Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) Stuttgart am 08.03.2022 (Az.: L 8 SB 2527/21).
Im vorliegenden Fall ging es um eine 61-jährige Klägerin, die einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis beantragte. Ihr wurde zuvor ein Tumor in der rechten Brust operativ entfernt. Sie litt auch an Depressionen, Organproblemen, Asthma Bronchiale sowie einem Herzklappenfehler.
Baden-Württemberg erkannte ihr zunächst nur einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 an. Nach der Klage einigte sich die Frau mit dem Land auf einen Vergleich. Danach wurde ab Juni 2020 unbefristet ein Grad der Behinderung von 60 vereinbart.
Allerdings wurde in einem entsprechenden Bescheid im März 2021 der GdB auf zwar auf 60 festgelegt, der Schwerbehindertenausweis jedoch mit einem Druck „gültig bis 1/2026“ versehen.
Vor Gericht verwies die Klägerin auf den Vergleich, der einenunbefristeten Schwerbehindertenausweis sowie einen Grad der Behinderung von 60 beinhaltete.
Das LSG Stuttgart wies die Klägerin mit Urteil vom 18.02.2022 ab. Schwerbehindertenausweise „sollten“ gesetzlich befristet werden. Dauerausweise können nur in atypischen Fällen ausgestellt werden, wenn keine Änderung der Schwerbehinderung zu erwarten ist.
Dies sei hier jedoch nicht der Fall. Gesundheitsveränderungen nach fünf Jahren sind möglich, da der Tumor beseitigt sei. Zweck der Ausweisfrist ist es, zu gegebener Zeit überprüfen zu können, ob die im Ausweis vermerkten Merkmale oder Nachteilsausgleiche noch den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Bei unveränderter Schwerbehinderung kann der Frau ein neuer Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden.
Mit Urteil vom 14.10.2021 entschied das LSG Erfurt im Fall einer gehörlosen Person, dass diese auch bei voraussichtlich irreversibler Behinderung keinen Anspruch auf einen uneingeschränkten Schwerbehindertenausweis habe (Az.: L 5 SB 1259/19). Die Kläger merkten an, dass in ähnlichen Fällen in anderen Bezirken bereits unbefristete Ausweise ausgestellt wurden. Eine rechtlich durchsetzbare Verpflichtung entstehe hieraus jedoch nicht.
Allerdings muss nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. 08.2015 auch ein unbefristeter Schwerbehindertenausweis nicht auf Dauer gültig sein (Az.: B 9 SB 2/15 R). Wenn irrtümlich jahrzehntelang das Versorgungsamt ungeprüft die Schwerbehinderteneigenschaft bestätigt und diese schließlich sogar auf unbestimmte Zeit feststellte, kann einem bereits genesenen Patienten der Schwerbehindertenausweis auch wieder entzogen werden. Dies bestätigte der Richter im Fall eines ehemaligen Tumorpatienten in Kassel. Einen Vertrauensschutz auf einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis gebe es nicht.
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