SOZIALRECHT
LSG Celle stärkt Gesundheitsfürsorge für minderjährige Flüchtlinge
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
LSG Celle stärkt Gesundheitsfürsorge für minderjährige Flüchtlinge © Symbolgrafik:© M. Schuppich - stock.adobe.com
Celle (jur). Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle hat die Gesundheitsfürsorge für minderjährige Flüchtlinge gestärkt. Nach deutschen Maßstäben notwendige medizinische Behandlungen dürfen ihnen „nur mit besonderer Begründung“ verweigert werden, entschied das LSG in einem am Donnerstag, 27. Juli 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: L 8 AY 16/23 B ER).
Es gab damit dem Eilantrag eines heute 17-jährigen Jugendlichen aus Georgien statt. Er war 2022 mit seinen Eltern nach Deutschland gekommen und leidet unter einem sogenannten Phosphatdiabetes. Diese genetisch bedingte Erkrankung führt zu Kleinwuchs und zunehmenden Störungen des Knochenwachstums, etwa einer Deformation des Brustkorbs und schweren Fehlstellungen der Kniegelenke.
Die Asylanträge des Jugendlichen und seiner Eltern waren ohne Erfolg, die dagegen gerichteten Klagen sind aber noch anhängig. Mehrere Ärzte und auch das Gesundheitsamt sprachen sich für eine baldige Operation aus. Dadurch könne er schmerzarm oder sogar schmerzfrei werden und unter Umständen künftig ohne Hilfsmittel laufen. Die Kosten der Operation würden voraussichtlich 17.600 Euro betragen.
Das Sozialamt des zuständigen Landkreises wollte diese Kosten nicht übernehmen. Schließlich sei der Jugendliche im Grundsatz ausreisepflichtig. Er werde sich daher voraussichtlich nur vorübergehend in Deutschland aufhalten. Eine Operation sei hier daher nicht erforderlich.
Im Eilverfahren hatte schon das Sozialgericht Braunschweig entschieden, dass der Landkreis die Operation bezahlen muss. Dies hat nun auch das LSG bestätigt. Zur Begründung verwies es auf die UN-Kinderrechtskonvention und auf das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum.
Nach diesen Maßstäben müsse es gerade bei Minderjährigen „besonders gerechtfertigt werden, wenn eine nach den hiesigen Lebensverhältnissen medizinisch erforderliche Behandlungsmaßnahme als nicht zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich abgelehnt werden soll“. Zu berücksichtigen seien dabei neben der Aufenthaltsdauer insbesondere auch „die tatsächliche Beeinträchtigung im Falle der Leistungsablehnung“.
Im konkreten Fall ging das LSG davon aus, dass der 17-Jährige noch länger in Deutschland bleiben wird. Eine Operation könne ihn unabhängig vom Rollstuhl machen und bringe sogar die Aussicht, dass er eventuell ohne Hilfsmittel schmerzarm oder schmerzfrei laufen kann. Daher sei es nicht gerechtfertigt, dem Minderjährigen die medizinisch dringend indizierte Maßnahme vorzuenthalten, heißt es in dem Beschluss vom 20. Juni 2013.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock