STRAFRECHT
OLG Karlsruhe zum Vorwurf des Parteiverrats (§ 356 StGB)
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Der 54jährige Angeklagte ist als Rechtsanwalt im nordbadischen Raum tätig. Im Dezember 1998 führte er die Beratung eines Ehepaares durch, das sich einvernehmlich voneinander scheiden lassen wollte. Im Rahmen der Besprechung berechnete er die sich gegen den Ehemann sich ergebenden Unterhaltsansprüche der Ehefrau und des gemeinsamen Kindes. Nachdem der Ehemann daraufhin um „Zurückstellung der Scheidungssache“ gebeten hatte, forderte ihn der Rechtsanwalt im Auftrag der Ehefrau zur Zahlung des berechneten Unterhalts auf. Außerdem vertrat er diese während des späteren Scheidungsverfahrens vor Gericht.
Wie die Vorinstanz hat das Landgericht hierin ein Vergehen des Parteiverrats erblickt und den Rechtsanwalt im Juli 2001 zu einer Geldstrafe von DM 13.500 = € 6.940 (90 Tagessätze zu DM 150) verurteilt. Nach Ansicht der Strafkammer habe der Angeklagte beiden Parteien in derselben Rechtssache durch Rat und Tat pflichtwidrig gedient.
Anders nun der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe, welcher ein pflichtwidriges Verhalten des Angeklagten verneint hat. Ein solches setze nämlich voraus, dass bei der Beratung ein Interessengegensatz der Parteien vorliege. Dies sei nicht der Fall, wenn sich die Interessen der Beteiligten nicht gegeneinander richten, sondern trotz einzelner Konfliktpunkte ein gemeinsames Ziel verfolgt wird und beide Parteien den Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung dieses gemeinschaftlichen Interesses betraut haben. Dies sei vorliegend aber zunächst der Fall gewesen, da die Eheleute eine nach dem Gesetz mögliche einverständliche Scheidung ange-strebt hätten und der Rechtsanwalt nicht als Diener einer Seite, sondern als „unparteiischer Mittler“ aufgetreten sei. In einem solchen Fall sei es dem Rechtsanwalt aber nicht untersagt, bei auftretenden Meinungsverschiedenheiten die eine der Parteien gegen die andere zu vertreten.
Der 3. Strafsenat hat das Urteil der Strafkammer deshalb auf die Revision des Angeklagten aufgehoben und diesen aus Rechtsgründen freigesprochen.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 19.09.2002 - 3 Ss 143/01 -
Auszüge aus dem Gesetzestext: § 356 StGB
(1) Ein Anwalt oder ein anderer Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.