SOZIALRECHT
Rollstuhlfahrer können mobile Treppensteighilfe erhalten
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Kassel (jur). Können Rollstuhlfahrer mit einer mobilen Treppensteighilfe leichter ihre Etagen-Wohnung verlassen, muss die Pflegekasse die Kosten für das Pflegehilfsmittel bezahlen. Voraussetzung ist, dass die mobile Treppensteighilfe ein selbstständigeres Leben ermöglicht, urteilte am Mittwoch, 16. Juli 2014, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 3 KR 1/14 R).
Geklagt hatte ein 81-jähriger, beidseitig beinamputierter und nahezu erblindeter Diabetiker aus dem Raum Düsseldorf. Der Mann hatte bei seiner Krankenkasse, der BKK Essanelle, eine elektronisch betriebene mobile Treppensteighilfe beantragt. Um seine in der ersten Etage befindlichen Wohnung verlassen zu können, benötige er sonst zwei Helfer, um die Treppen im Treppenhaus mit seinem Rollstuhl überwinden zu können.
Mit der mobilen Treppensteighilfe des Typs Scalamobil würde er nur noch eine Hilfsperson für den Treppenauf- oder -abstieg benötigen und könne so auch leichter zur regelmäßigen Dialysebehandlung kommen. Ohne das Gerät sei er faktisch an der Wohnung gefesselt, so der 81-Jährige, der Pflegeleistungen nach der Pflegestufe III erhält.
Das batteriebetriebene Hilfsmittel wird hinten an dem Rollstuhl befestigt. Mehrere elektrisch angetriebene Räder unterstützen den Treppenauf- oder -abstieg.
Die BKK Essanelle wollte für das – je nach Zubehör – 5.000 bis 6.500 Euro teure Hilfsmittel nicht aufkommen. Bis zum Abschluss des Rechtsstreits gewährte die Krankenkasse jedoch vorläufig die elektrisch betriebene mobile Treppensteighilfe. Das BSG habe bereits am 7. Oktober 2010 entschieden (Az.: B 3 KR 13/09 R), dass ein dauerhaft behinderter Versicherter allein wegen der Besonderheiten seiner individuellen Wohnsituation von der Krankenkasse solch ein Hilfsmittel nicht verlangen kann, so die BKK Essanelle.
Das BSG bestätigte dies zwar im Grundsatz. „Mobilitätshilfen zum Behinderungsausgleich seien grundsätzlich nur dann von der Krankenkasse zu bezahlen, wenn sie nicht allein wegen der konkreten Wohnsituation des Versicherten, sondern praktisch in jeder Art von Wohnung benötigt werden“. In Erdgeschosswohnungen oder Wohnungen mit einem Aufzug würden Treppensteighilfen aber nicht benötigt.
Seit 2012 hätten Pflegebedürftige allerdings Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln durch die Pflegekasse, wenn diese die Pflege erleichtern oder „eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen“. Im vorliegenden Fall sei die Treppensteighilfe als solch ein Pflegehilfsmittel anzusehen. Der Pflegebedürftige benötige damit nur eine und nicht zwei Pflegepersonen, um die Treppe mit dem Rollstuhl überwinden zu können.
Hier sei auch ausnahmsweise die BKK Essanelle leistungspflichtig. Die Krankenkasse sei grundsätzlich für Hilfsmittel zuständig, die dem Behinderungsausgleich gewährleiten, die Pflegekasse dagegen für Hilfsmittel, die der Pflegeerleichterung und einer selbstständigeren Lebensführung dienen. Da die Treppensteighilfe beide Funktionen erfülle, müsse der Leistungsträger entscheiden, bei dem der Antrag gestellt wurde. Hier sei dies die BKK Essanelle. Die Krankenkasse kann sich dann aber einen Teil der Kosten von der Pflegekasse wieder zurückholen.
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