STRAFRECHT
Unbearbeitete Klagen und manipulierte Akten sind Rechtsbeugung
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Unbearbeitete Klagen und manipulierte Akten sind Rechtsbeugung © Symbolgrafik:© Dan Race - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Manipulierte Verfahrensunterlagen und unbearbeitet im Keller gelagerte Klagen – damit hat sich eine Richterin in Nordrhein-Westfalen der Rechtsbeugung schuldig gemacht, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Dienstag, 13. Juni 2023, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: 4 StR 149/22). Die Karlsruher Richter bestätigten damit einen Schuldspruch des Landgerichts Hagen. Die Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe hob der BGH allerdings auf.
Die Richterin war in einem Amtsgericht in Nordrhein-Westfalen tätig und dort für Familiensachen sowie für Straf- und Bußgeldverfahren zuständig. Als sie im Frühjahr 2018 ein von ihr gefälltes Urteil nicht rechtswirksam dokumentiert und „zu den Akten gebracht“ hatte, manipulierte sie das Verhandlungsprotokoll, um dies zu verschleiern. Ähnliche Fehler passierten ihr mehrfach. In anderen Fällen täuschte sie die rechtzeitige Absetzung durch die Änderung eines Datums vor oder gab das Urteil erst gar nicht mehr zu den Akten. Einzelne Familiensachen bearbeitete sie überhaupt nicht und lagerte die Akten unbearbeitet im Keller ihrer Wohnung.
Vor dem Landgericht Hagen wurde die Richterin deshalb 2021 wegen Rechtsbeugung und Urkundenfälschung angeklagt. Dort gab sie an, sich trotz therapeutischer Unterstützung an die Vorfälle weitgehend nicht erinnern zu können. Ihr Therapeut habe gemeint, es liege wohl eine „Arbeitsblockade“ vor. Diese sei durch die eigene Erwartung ausgelöst worden, allem gerecht werden zu müssen. Offenbar habe sie sich wegen dieser Blockade mit einigen Akten nicht auseinandersetzen wollen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts war sie dennoch in der Lage, ihre Verfahren in einem üblichen Umfang erledigen zu können. Ein Sachverständiger stellte ihre volle Schuldfähigkeit fest. Das Landgericht Hagen verurteilte sie im November 2021 unter anderem wegen Rechtsbeugung und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten.
Nur das Strafmaß hob der BGH nun auf. Das Landgericht Hagen habe in sechs der insgesamt zehn Fälle fehlerhaft ein „aktives Tun“ der Richterin unterstellt. Tatsächlich sei ihr aber nur ein „Unterlassen“ vorzuwerfen. Über das Strafmaß soll das Landgericht daher nun neu entscheiden.
Dagegen bestätigten die Karlsruher Richter die Verurteilung wegen Rechtsbeugung. Die Richterin habe vorsätzlich gegen Strafverfahrensrecht verstoßen und „in elementarer Weise Recht und Gesetz“ verletzt.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock