STAATSRECHT
25 Millionen Euro pro Jahr weniger für die Parteien
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Karlsruhe (jur). Die Parteien erhalten künftig 25 Millionen Euro niedrigere Zuschüsse vom Bund. Mit einem am Dienstag, 24. Januar 2023, verkündeten Urteil hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die 2018 beschlossene Erhöhung auf damals insgesamt 190 Millionen Euro verworfen (Az.: 2 BvF 2/18). Der Gesetzgeber habe das Plus weder inhaltlich noch der Höhe nach ausreichend begründet. Weil die staatlichen Zuschüsse jährlich der Preisentwicklung angepasst werden, liegen sie mit diesem 25-Millionen-Sprung inzwischen über 200 Millionen Euro.
Nach dem Karlsruher Urteil ist die Erhöhung nichtig. Damit entfällt das Plus von 25 Millionen Euro auf jeden Fall für die Zukunft. Zu Rückforderungen verhalte sich die Entscheidung nicht, sagte ein Gerichtssprecher auf JurAgentur-Anfrage.
Nach den bisherigen Regeln hätte der Staat für 2018 bis zu 165 Millionen Euro an die Parteien ausschütten dürfen. Ausgeschüttet wird das Geld jeweils für das Vorjahr. Maßgeblich sind die Zahl der erhaltenen Stimmen bei Wahlen, die Höhe der Mitgliedsbeiträge und die Bürgerspenden bis 3.300 Euro. Voraussetzung ist, dass die Partei bei einer Bundestags- oder Europawahl mindestens 05, Prozent der Stimmen erreicht hat, oder bei einer Landtagswahl mindestens ein Prozent. Das Geld fließt daher auch an kleinere Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind.
2018 empfand die Große Koalition den Inflationsausgleich als unzureichend. Mit einer Änderung des Parteiengesetzes hob sie für die 2019 erfolgte Ausschüttung für 2018 die „absolute Obergrenze“ um knapp 25 Millionen auf 190 Millionen Euro an.
Dagegen hatten 216 Bundestagsabgeordnete der damaligen Oppositionsparteien von FDP, Grünen und Linken das Bundesverfassungsgericht angerufen.
Dies gab der Normenkontrollklage nun statt. Die Zuschüsse als solche seien zwar zulässig, die Erhöhungsentscheidung sei jedoch unzureichend begründet und verfehle daher die verfassungsrechtlichen Vorgaben. Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien sei verletzt.
Laut Bundesverfassungsgericht verbietet es dieser Grundsatz, dass der Staat Einfluss auf die Willensbildung in den Parteien nimmt. Denn diese Willensbildung müsse sich „von den Bürgerinnen und Bürgern zu den Staatsorganen vollziehen und nicht umgekehrt“.
Wörtlich heißt es weiter in dem Urteil: „Der Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien wird durch die Gewährung finanzieller Zuwendungen dann verletzt, wenn die Parteien dadurch der Notwendigkeit enthoben werden, sich um die finanzielle Unterstützung ihrer Aktivitäten durch ihre Mitglieder sowie ihnen nahestehende Bürgerinnen und Bürger zu bemühen, und sie damit Gefahr laufen, ihre gesellschaftliche Verwurzelung zu verlieren.“
Zulässig sei eine über den Inflationsausgleich hinausgehende Erhöhung daher nur, soweit dies aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen „unverzichtbar ist“.
Hier hatte der Gesetzgeber auf einschneidende Veränderungen seit Anfang der 1990-er Jahre verwiesen, insbesondere die Digitalisierung. Zudem würden die Parteien vermehrt „innerparteiliche Partizipationsinstrumente“ einsetzen, die Geld kosten, etwa Mitglieder- statt Delegiertenparteitage sowie Mitgliederbefragungen und -entscheide.
Damit sei zwar ein erheblicher finanzieller Mehrbedarf der Parteien nachvollziehbar dargelegt, erklärte hierzu das Bundesverfassungsgericht. Nicht dargelegt sei aber, warum dieser Mehrbedarf ausgerechnet durch die staatlichen Zuschüsse gedeckt werden muss. Auch die Höhe von 25 Millionen Euro sei nicht nachvollziehbar begründet. So sei beispielsweise bei der Digitalisierung nur von den Investitionskosten die Rede, nicht aber von den damit verbundenen Einsparpotenzialen.
Fragen warf für die Karlsruher Richter auch die Eile auf, mit der die Erhöhung beschlossen wurde. Der Gesetzesentwurf war am 5. Juni 2018 verteilt und dann schon am 15. Juni 2018 in dritter Lesung verabschiedet worden. Gründe für diese Eile habe es nicht gegeben, betonte das Bundesverfassungsgericht. Es konnte aber letztlich offenlassen, ob das Gesetz ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Eine diesbezügliche Normenkontrollklage der AfD-Bundestagsfraktion wies das Bundesverfassungsgericht ebenfalls am 24. Januar 2023 wegen einer unzureichenden Begründung ab (Az.: 2 BvE 5/18).
Dass die staatlichen Zuschüsse an die Parteien grundsätzlich zulässig sind, hatte das Bundesverfassungsgericht erstmals 1992 entschieden (Urteil vom 09. April 1992, Az.: 2 BvE 2/89). Dabei hatte es festgelegt, dass die „absolute Obergrenze“ unverändert bleiben muss, „solange die bestehenden Verhältnisse keine einschneidende Veränderung erfahren“. Zudem dürfen danach die Zuschüsse für eine Partei „die Summe ihrer selbsterwirtschafteten Einnahmen nicht überschreiten“ (sogenannte „relative Obergrenze“).
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock