ARZTHAFTUNGSRECHT
Arzthaftung - Fragen bei Behandlungen durch einen D-Arzt: Wer haftet, D-Arzt oder Berufsgenossenschaft?
Autor: Laux Rechtsanwälte - Kanzlei
Anmerkung zur Entscheidung des BGH vom 29. November 2016 (-VI ZR 208/15-)
Fragestellung: Handelt der D-Arzt hier privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich?
Der BGH hatte über den Umfang der öffentlich-rechtlichen Aufgaben eines Durchgangsarztes zu entscheiden. Wann handelt der sogenannte D-Arzt für sich und wann in Ausübung seiner Tätigkeit als beauftragter Arzt? Damit einhergehend positionierte sich der BGH zu höchst strittigen Fragen bei der Haftung der Berufsgenossenschaft für Behandlungsfehler ihres D-Arztes.
Der Fall: Was war geschehen?
Ein gesetzlich Unfallversicherter litt nach einem Arbeitsunfall an heftigen Beschwerden im Brust- und Rückenbereich und begab sich in ein Krankenhaus, wo er sich durch eine Ärztin behandeln ließ, die den Chefarzt in seiner Funktion als Durchgangsarzt der BG vertrat. Diese Ärztin stellte eine Prellung der BWS fest, verschrieb ihm eine schmerzlindernde Salbe sowie Schmerzmittel und empfahl Kühlen und Schonung. Laut D-Arzt-Bericht ordnete sie als Art der Heilbehandlung eine allgemeine Heilbehandlung durch einen anderen Arzt an. Die Beschwerden des Versicherten verschlimmerten sich jedoch. Nachdem er einen anderen D-Arzt kontaktierte hatte, wurde eine Fraktur der Lendenwirbelsäule mit Hinterkantenbeteiligung diagnostiziert. Sowohl die Erstdiagnose als auch die Behandlung der urlaubsvertretenden Ärztin erfolgte demnach fehlerhaft und führte zu bleibenden Schäden.
Die entscheidende Frage: Wer haftet und warum?
Wer haftet im Falle eines Diagnose- und Behandlungsfehlers eines (urlaubsabwesenden vertetenen) D-Arztes? Der D-Arzt persönlich oder die gesetzliche Unfallversicherung?
Maßstäbe des BGH zur Bewertung und Abgrenzung öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Haftung:
- Grundsätzlich könne zunächst nicht davon ausgegangen werden, dass die ärztliche Heilbehandlung als D-Arzt - also öffentlich-rechtlich im Sinne von Art. 34 GG - erfolgte.
- Bei der Tätigkeit eines D-Arztes sei zu differenzieren: Ist dessen Handeln ausschließlich dem Privatrecht zuzuordnen oder nimmt er eine hoheitliche Aufgabe im Sinne des Art. 34 S. 1 GG, § 839 BGB wahr?
- Dies sei zu bejahen, wenn für die Entscheidung des D-Arztes eine Wahl zwichen allgemeiner oder eine besonderer Heilbehandlung erforderlich ist. In diesem Fall ist seine Tätigkeit als hoheitlich im Sinne von Art. 34 S. 1 GG, § 839 BGB zu qualifizieren.
- Gleiches gelte laut BGH für die vom Durchgangsarzt im Rahmen der Eingangsuntersuchung vorgenommenen Untersuchungen zur Diagnosestellung, der anschließenden Diagnosestellung und der sie vorbereitenden Maßnahmen: Bestehe zwischen der Diagnosestellung und der sie vorbereitenden Maßnahmen mit der Entscheidung über die richtige Heilbehandlung ein innerer Zusammenhang, sind jene Maßnahmen ebenfalls der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Durchgangsarztes zuzuordnen. Daraus resultiere, dass die Berufsgenossenschaft für etwaige Fehler in diesem Bereich einstehen muss.
- Auch eine Erstversorgung durch den Durchgangsarzt sei damit der Ausübung eines öffentlichen Amtes zuzurechnen mit der Folge, dass die Berufsgenossenschaft für etwaige Fehler in diesem Bereich haften. Damit gibt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur „doppelten Zielrichtung" auf (BGH III ZR 131/72; BGHZ 63, 265).
Was bedeutet diese BGH-Entscheidung für die Praxis?
Die Entscheidung des BGH suchte nach Klarheit bei der schwierigen Haftungsabgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem bzw. privatrechtlichem Behandlungsverhältnis. Zukünftig wird u. a. der Bericht des Durchgangsarztes darüber Aufschluss geben, wie die Erstversorgung erfolgte. Dies ist ein wichtiges Indiz für drängende Frage: Wer ist die/der richtige Gegenseite oder Beklagte(r) im Klageverfahren?