STEUERRECHT
Blindenhilfsmittelverkauf kein Grund für ermäßigten Umsatzsteuersatz
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München (jur). Ein gemeinnütziger Blindenselbsthilfeverein kann beim Verkauf von Hilfsmitteln an blinde und sehbehinderte Menschen nicht automatisch den ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent beanspruchen. Die reguläre Umsatzsteuer von 19 Prozent gilt zumindest dann, wenn der Verein beim Verkauf lediglich die allgemein im Fachhandel übliche produkt- und anwendungsbezogene Beratung durchführt, entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Donnerstag, 2. Februar 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: V R 12/20). Eine Umsatzsteuerbegünstigung komme dagegen in Betracht, wenn neben der reinen Produktberatung weitere „fürsorgeorientierte Hilfestellungen“ gegeben werden.
Im Streitfall geht es um den gemeinnützigen Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen e. V. in Dresden. Dieser betreibt ein Landeshilfsmittelzentrum, das nach eigenen Angaben zu 80 Prozent beratend tätig ist. In einem Laden und einem Onlineshop werden aber auch Produkte für blinde und sehbehinderten Menschen verkauft.
Eine für dieselbe Zielgruppe tätige Firma hatte über einen „verfälschten Wettbewerb“ geklagt. Es sei unfair, dass der Blindenverband seine Produkte nur zum ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent besteuert. Als gewerbliche Firma müsse er jedoch 19 Prozent Umsatzsteuer zugrundelegen, so das Unternehmen mit seiner Konkurrentenklage.
Sowohl das Finanzamt als auch das Sächsische Finanzgericht gingen von gemeinnützig anzusehenden Umsätzen aus. Daher sei der ermäßigte Umsatzsteuersatz gerechtfertigt. Das Landeshilfsmittelzentrum sei als steuerlich begünstigter Zweckbetrieb des Blindenverbandes einzustufen, da es „zur Durchführung der Fürsorge für blinde Menschen unterhalten“ werde.
Doch das Urteil des Finanzgerichts hob der BFH in seiner Entscheidung vom 17. November 2022 auf. Der Verkauf von Blindenhilfsmitteln durch den Blindenverband sei bei der Umsatzsteuer nicht begünstigt, wenn er nur mit einer im Fachhandel üblichen, produkt- und anwendungsbezogenen Beratung einhergeht.
Für den Anspruch auf einen ermäßigten Umsatzsteuersatz müsse eine „Blindenfürsorge“ vorliegen. Dies könne etwa sein, wenn neu erblindeten Personen neben der reinen Produktberatung weitere Hilfestellungen gegeben werden oder etwa im Zusammenhang mit den verkauften Hilfsmitteln ein unentgeltlicher Kurs zur Förderung der gemeinnützigen Tätigkeit angeboten werde. Dies müsse das Finanzgericht noch einmal prüfen.
Bereits am 23. Juli 2019 hatte der BFH im Fall eines von einer Werkstatt für behinderte Menschen betriebenen Bistros geurteilt, dass eine Gemeinnützigkeit des Trägers nicht vor dem vollen Umsatzsteuersatz von 19 Prozent schützt (Az.: XI R 2/17; JurAgentur-Meldung vom 21. November 2019). Danach gilt auch für Betriebe eines gemeinnützigen Vereins der volle Umsatzsteuersteuersatz von 19 Prozent, wenn sie in unmittelbaren Wettbewerb mit regulären Unternehmen stehen. Zwar sei bislang der ermäßigte Umsatzsteuersatz angewendet worden, wenn in einer gemeinnützigen Einrichtung mindestens 40 Prozent der Beschäftigten behindert sei. Dass nun aber der 19-Prozentsatz gelten müsse, sei „zwingende Vorgaben des Unionsrechts“. Die gegenteilige bisherige Praxis sei damit nicht vereinbar.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock