SOZIALRECHT
Bundessozialgericht bekräftigt Sozialhilfeanspruch für EU-Bürger
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
Kassel (jur). Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat den Anspruch arbeitsloser EU-Bürger auf Sozialhilfe bekräftigt. Nach einem am Mittwoch, 20. Januar 2016, verkündeten Urteil kann im Einzelfall ein solcher Anspruch auch schon vor einem sechsmonatigen Aufenthalt entstehen, etwa wenn EU-Bürger aus gesundheitlichen Gründen ohnehin nicht ausgewiesen werden können (Az.: B 14 AS 35/15 R).
Grundsätzlich ergebe sich der Anspruch „aus dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums“ und der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Asylbewerberleistungen (Urteil vom 9. Oktober 2010, Az.: 1 BvL 1/09). Danach bestehe ein Anspruch auf Sozialhilfe-Regelleistungen bei einem „verfestigten“ Aufenthalt. Auch bereits vorher könne aber ein Anspruch auf verringerte sogenannte Ermessensleistungen bestehen, wenn eine Rückkehr in das Herkunftsland beispielsweise aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist.
Genau so verhielt es sich nach Überzeugung der Kasseler Richter im Fall der Klägerin aus Bulgarien. Die heute 26-Jährige war bereits mit 14 Jahren in die Niederlande zwangsverheiratet worden, konnte nach zwei Jahren aber nach Bulgarien zurückkehren. Dort wurde sie später schwanger und erwartete Zwillinge. Ihr Ex-Freund, der nicht der Kindsvater ist, drohte ihr aufgrund der Schwangerschaft. Um vor allem die künftigen Kinder vor der Gewalt dieses Mannes zu schützen, floh die junge Frau im November 2012 nach Deutschland. Die Ärzte in Köln sprachen von einer Risikoschwangerschaft; zudem hatten die Mutter und später auch eines der Kinder Hepatitis B.
Die Stadt Köln strebte zunächst ihre Ausweisung an, stellte das Verfahren aber ein, nachdem die Bulgarin ihr Schicksal geschildert hatte. Für längere Zeit galt die Frau auch als reiseunfähig.
Unterdessen hatte sie Hartz-IV-Leistungen beantragt.
Das BSG wies nun ihren Hartz-IV-Antrag zwar ab, sprach ihr und den Kindern aber Sozialhilfe zu. Zur Begründung verwiesen die Kasseler Richter auf ihre entsprechenden Grundsatzurteile vom 3. Dezember 2015 (Az.: B 4 AS 44/15 R und weitere, JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach haben EU-Ausländer Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sich ihr Aufenthalt in Deutschland nach in der Regel sechs Monaten „verfestigt“ hat.
Im Streitfall habe die Bulgarin aber auch vorher aus gesundheitlichen Gründen nicht ausgewiesen werden dürfen. Die Stadt Köln habe ihren Aufenthalt daher auch „faktisch geduldet“. Dies führe für die Zeit vor Ablauf der sechs Monate zu einem Anspruch auf „Ermessensleistungen“ der Sozialhilfe, urteilte das BSG.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage