STRAFRECHT
Freispruch nach Kasseler Professoren-Polemik gegen „Homo-Ehe“ gilt
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Frankfurt/Main (jur). Die homophoben Äußerungen des früheren Kasseler Evolutionsbiologen Ulrich Kutschera auf dem österreichischen Internetportal kath.net zur „Ehe für alle“ sind von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Äußerungen, dass „Homo-Paare“ als „sterile, a-sexuelle Erotik-Duos ohne Reproduktions-Potenzial“ anzusehen und deren Kinder „bemitleidenswerte Befruchtungs-Produkte“ seien, schlagen nicht auf die „Ehre von Einzelpersonen“ durch, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem am Montag, 28. Februar 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 2 Ss 164/21).
Hintergrund des Rechtsstreits war die vom Deutschen Bundestag 2017 beschlossene „gleichgeschlechtliche Ehe“ und einem möglichen Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Kutschera, früherer Professor für Evolutionsbiologie mit dem Forschungsschwerpunkt auf Pflanzen an der Universität Kassel hatte sich damals im Zuge der „Ehe für alle“-Debatte dem österreichischen, außerkirchlichen Online-Magazin „kath.net“ polemisch dazu geäußert.
Er bezeichnete darin „Homo-Paare, d. h. Mann-Mann bzw. Frau-Frau-Verbindungen“ als „sterile, a-sexuelle Erotik-Duos ohne Reproduktion-Potenzial“. In gleichgeschlechtlichen Beziehungen lebende Kinder seien als „bemitleidenswerte Befruchtungs-Produkte“ anzusehen, deren Erziehung durch „widernatürliche Früh-Sexualisierung“ in Form „geistiger Vergewaltigung“ erfolge. Homosexuelle Personen hätten eine grundsätzliche Neigung zum sexuellen Missbrauch von Kindern. Sollte das Adoptionsrecht für „Homo-Paare“ kommen, fürchtete Kutschera ein „Horror-Kinderschänder-Szenario“.
Die Staatsanwaltschaft Kassel warf dem Professor daraufhin Volksverhetzung, Beleidigung und Verleumdung vor.
Das Amtsgericht verurteilte Kutschera wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 6.000 Euro. Das Landgericht sprach den Wissenschaftler dagegen frei, da dessen Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien. Diese seien strafrechtlich weder als Beleidigung, noch als üble Nachrede oder Volksverhetzung zu werten.
Die dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision wies das OLG nun mit Urteil vom 8. Februar 2022 zurück. Die Äußerungen würden in ihrer Gesamtheit „nicht auf die persönliche Ehre von Einzelpersonen“ durchschlagen. Dies sei für eine Verurteilung aber erforderlich. Die Angaben Kutscheras seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung sei hier nicht möglich gewesen, so dass die Äußerungen Kutscheras „im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes insgesamt als Meinungsäußerung anzusehen“ seien.
Die teils „polemischen und überspitzten Meinungsäußerungen des Angeklagten“ seien Teil des „geistigen Meinungskampfes in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage“ und damit nicht als verbotene Schmähkritik zu werten und daher nicht strafbar, urteilte das OLG.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock