STRAFRECHT
Weitergabe heimlich erhobener Daten vom Verfassungsschutz begrenzt
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Karlsruhe (jur). Verfassungsschutzbehörden dürfen die nach einer verdeckten Überwachung erhobe-nen Daten rechtsextremistischer und anderer gewaltbereiter Personen nur bei einer „hinreichend konkretisierten Gefahr“ an Polizei- und Sicherheitsbehörden weitergeben. Die im Bundesverfassungsschutzgesetz enthaltenen Übermittlungsbefugnisse sind teils zu weitreichend und mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag, 3. November 2022, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 2354/13). Bis spätestens Ende 2023 muss der Gesetzgeber verfassungsgemäße Regelungen schaffen, bis dahin bleiben die beanstandeten Bestimmungen mit Einschränkungen in Kraft.
Vor Gericht war Carsten S. gezogen, der vom Oberlandesgericht München im Prozess um den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zu einer dreijährigen Jugendstrafe verurteilt wurde. Ihm wurde zur Last gelegt, als Waffenlieferant für den NSU fungiert zu haben.
Vor dem Bundesverfassungsgericht hatte er gerügt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz auch die bei verdeckten Ermittlungen erhobenen personenbezogenen Daten an Polizei und Staatsanwaltschaft weitergibt. Die Daten werden in einer Rechtsextremismus-Verbund-Datei gespeichert. Diese ermöglicht einen verbesserten Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden und soll den gewaltbezogenen Rechtsextremismus besser bekämpfen. Carsten S. hielt die Übermittlungsbefugnisse des Bundesverfassungsschutzes für viel zu weitreichend und sah sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Die Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg. Zwar dürfe der Verfassungsschutz auch verdeckt erhobene personenbezogene Daten an Strafverfolgungsbehörden weitergeben. Dies diene dem „legitimen Zweck, Staatsschutzdelikte effektiv zu bekämpfen und damit einhergehend den Bestand und die Sicherheit des Staates sowie Leib, Leben und Freiheit der Bevölkerung zu schützen“. Eine solche Weitergaben von mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen Daten komme aber nur zur Verfolgung „besonders schwerer Straftaten in Betracht“.
Die im Bundesverfassungsschutzgesetz enthaltenen Übermittlungsbefugnisse seien zu weitreichend. Diese ermöglichten auch „die Übermittlung von Informationen, die unabhängig von einer konkretisierten Gefahrenlage oder von bestimmten, den Verdacht begründenden Tatsachen als erforderlich angesehen werden können“.
Der Gesetzgeber müsse bis zum 31. Dezember 2023 eine verfassungsgemäße Neuregelung beschließen. Bis dahin bleiben die beanstandeten Regelungen mit Einschränkungen in Kraft, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 28. September 2022.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock