SOZIALRECHT
Bundesverfassungsgericht mahnt ausreichend Richterstellen an
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Richter © Symbolgrafik:© Mike Fouque - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Die Länder müssen ausreichend Planstellen für Richter schaffen. Das Stopfen von Engpässen durch Abordnungen ist nur vorübergehend und nur aus wichtigen Gründen zulässig, betonte das Bundesverfassungsgericht in einem am Mittwoch, 28. Dezember 2022, in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 1623/17).
Im Ausgangsverfahren wollte die Beschwerdeführerin eine Erwerbsminderungsrente erstreiten. Nach einer Niederlage vor dem Sozialgericht Neubrandenburg rief die Frau das Landessozialgericht (LSG) Mecklenburg-Vorpommern in Neustrelitz an und beantragte dort auch Prozesskostenhilfe. Im Juni 2017 wies das LSG beides ab.
Im Hauptstreit um die Rente legte die Frau eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) in Kassel ein. Im Streit um die Prozesskostenhilfe war dies nicht möglich, weshalb sie direkt das Bundesverfassungsgericht anrief. Zur Begründung rügte sie, dass an beiden Entscheidungen ein Richter beteiligt gewesen sei, der schon fast zweieinhalb Jahre von einem Sozialgericht an das LSG abgeordnet gewesen sei. Dies sei zu lang und mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur richterlichen Unabhängigkeit nicht vereinbar.
Dies hat das Bundesverfassungsgericht nun inhaltlich voll bestätigt. Abordnungen seien nur mit wichtigem Grund zulässig, etwa zur Erprobung oder wegen einer absehbar vorübergehenden hohen Belastung. Diese Voraussetzungen seien hier für den abgeordneten Richter nicht erfüllt gewesen. Vielmehr hätten am LSG Neustrelitz dauerhaft Richter gefehlt.
Zur Begründung verwiesen die Karlsruher Richter darauf, dass eine Abordnung der Kontrolle der Justizverwaltung unterliegt, letztlich also dem Justizministerium des jeweiligen Landes. Dass Verwaltung und Ministerium die Abordnung jederzeit beenden können, könne auch die Entscheidungen beeinflussen. Dies gelte ganz besonders, wenn ein Abgeordneter Richter eine höhere Vergütung bekommt als in der Position, in die er nach Ende der Abordnung zurück müsste.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Beschluss vom 10. November 2022 wies das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde allerdings aus formalen Gründen als unzulässig ab. Denn bereits zuvor hatte das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel im Hauptstreit um die Rente der Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls wegen einer unzulässigen Besetzung der Richterbank stattgegeben (Beschluss vom 25. Mai 2018, Az.: B 13 R 217/17 B).
Daraufhin hatte die Frau im zweiten Durchlauf nicht nur im Streit um die Rente weitgehenden Erfolg, das LSG sprach ihr nun zudem auch doch noch Prozesskostenhilfe zu. Daher sei sie durch die angegriffene ablehnende Prozesskostenhilfeentscheidung nicht mehr belastet, so nun das Bundesverfassungsgericht. Weil sie nach ursprünglichem Stand aber wohl recht bekommen hätte, muss aber das Land Mecklenburg-Vorpommern die Kosten für ihre Verfassungsbeschwerde tragen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock