SOZIALRECHT
Notfallbehandlung auch für Ausländer ohne Krankenversicherung
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Notfallbehandlung auch für Ausländer ohne Krankenversicherung © Symbolgrafik:© Stockfotos MG - stock.adobe.com
Kassel (jur). Das Bundessozialgericht (BSG) hat den Anspruch von Ausländerinnen und Ausländern ohne Krankenversicherungsschutz auf eine Notfallbehandlung im Krankenhaus erleichtert. Danach können Krankenhäuser die Behandlungskosten bei einem akuten Notfall an einem Wochenende auch dann erstattet bekommen, wenn die nicht versicherten Ausländer über kein Aufenthaltsrecht verfügen, urteilten am Mittwoch, 13. Juli 2023, die Kasseler Richter (Az.: B 8 SO 11/22 R). Auf die Ausreisebereitschaft des Ausländers komme es hierfür nicht an.
Im konkreten Fall ging es um einen wohnsitzlosen und alkoholkranken Mann aus Polen ohne jeglichen Krankenversicherungsschutz. Seit 2012 war er dennoch mehrfach im Uniklinikum Aachen medizinisch behandelt worden. Seinen Lebensunterhalt bestritt der Mann mit Betteln.
Als er am 8. März 2019, einem Freitag, wegen des Verdachts eines Herzinfarktes mit dem Rettungswagen in die Notfallaufnahme des Klinikums gebracht wurde, führten die behandelnden Ärzte ein EKG durch. Ein Herzinfarkt wurde nicht festgestellt, so dass der unter Betreuung stehende Mann einen Tag später die Notfallaufnahme wieder verlassen konnte.
Die angefallenen Behandlungskosten in Höhe von 166,47 Euro wollte sich das Uniklinikum von der Stadt als Sozialhilfeträger wieder zurückholen. Nach dem Gesetz kann ein Erstattungsanspruch bestehen, wenn eine schwere akute Erkrankung oder Schmerzzustand vorliegt. Üblicherweise muss der Sozialhilfeträger für die Kostenübernahme sein OK geben. Hier wurde jedoch der Ausländer erst nach Dienstschluss der Behörde in das Klinikum eingeliefert, so dass nach Auffassung des Klinikums ein Eilfall vorlag, der eine sofortige Behandlung erforderte.
Die Stadt lehnte die Kostenübernahme ab. Denn hier habe keine vom Gesetz geforderte Behandlung einer „akuten Erkrankung“ vorgelegen. Es sei nur eine reine Diagnostik durchgeführt worden. Der Patient habe auch über kein Aufenthaltsrecht verfügt, so dass allenfalls Überbrückungsleistungen für die Erstattung der Behandlungskosten in Betracht kämen. Hierfür müsse sich der Ausländer aber bereiterklären, innerhalb eines Monats auszureisen, was der Mann nicht getan habe. Folge sei, dass das Uniklinikum auf den Behandlungskosten sitzenbleibe, meinte die Stadt.
Doch das BSG urteilte, dass das Klinikum die Kostenerstattung für die Notfallbehandlung verlangen kann. Der Verdacht eines Herzinfarkts sei auch eine „akute Erkrankung“, so dass die Sozialhilfe „Hilfe bei Krankheit“ trotz des fehlenden Aufenthaltsrechts gewähren müsse. Denn der Wohnsitzlose habe Anspruch auf Überbrückungsleistungen.
Zwar sei der Gesetzgeber typisierend davon ausgegangen, dass Ausländer mit einem Anspruch auf diese Leistungen innerhalb eines Monats ausreisen. Kommen sie dem, wie im Streitfall, nicht nach, liege bei einer danach durchgeführten akuten Notfallbehandlung jedoch ein Härtefall vor, für den der Sozialhilfeträger aufkommen müsse.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock