NACHBARSCHAFTSRECHT
AG München zu den Voraussetzungen eines "Grenzbaumes" im Sinne des BGB
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Die spätere Klägerin – eine Münchener Bauträgergesellschaft – bebaute und veräußerte im Jahre 2003 ein Grundstück mit Doppelhaushälfte in der Dornröschenstraße in München. In dem notariellen Kaufvertrag verpflichtete sie sich gegenüber dem Erwerber, für die Beseitigung einer Fichte, die an der Grenze zum Grundstück des (später Beklagten) Nachbarn steht, zu sorgen. Da der Nachbar der Fällung der Fichte nicht zustimmte, kam der Fall vor das Amtsgericht München.
Die Klägerin bezog sich vor Gericht auf § 923 des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dort ist bestimmt: “Steht auf der Grenze ein Baum, so kann jeder der Nachbarn dessen Beseitigung verlangen“, wobei die Kosten der Fällung grundsätzlich beiden Nachbarn hälftig zur Last fallen.
Die zuständige Richterin des Amtsgerichts hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung führte sie aus, dass es sich bei der Fichte nicht um einen „Grenzbaum“ im Sinne des Gesetzes handele.
Zum Verständnis: Nach der sehr uneinheitlichen Rechtsprechung der Instanzgerichte beurteilt sich die Frage, ob ein Grenzbaum vorliegt, danach, ob er an dem Ort, wo er aus der Erde tritt, die Grundstücksgrenze durchschneidet, ohne dass es auf die Lage der Wurzeln ankäme. Entscheidend für die Gesamtbeurteilung sei eine „natürliche Betrachtungsweise nach den Gegebenheiten des Einzelfalles“. Diese „natürliche Betrachtungsweise“ hat in der Rechtsprechung dazu geführt, dass ein Baum, obwohl er mit dem Stamm die Grenze durchschneidet, dann kein Grenzbaum ist, wenn er sich nach dem Erdaustritt vollständig in Richtung des Grundstücks neigt, von dessen Eigentümer die Zustimmung zur Beseitigung verlangt wird. Von einheitlichen, gesicherten Maßstäben, kann daher bei der Feststellung, was ein „Grenzbaum“ ist, nicht gesprochen werden.
Ausgehend hiervon sah die Richterin die streitgegenständliche Fichte nicht als Grenzbaum an. Nach den vorgelegten Lichtbildern steht der Stamm der Fichte vollständig auf dem Grundstück der Beklagten. Der Baum war nahezu kerzengerade gewachsen und reichte auch mit den Ästen kaum auf das andere Grundstück hinüber. Lediglich ein Wurzelfuß ragte mit einigen Zentimetern auf das Nachbargrundstück. Ausgehend von diesen – im übrigen zwischen den Parteien unstreitigen – Feststellungen sei ein Grenzbaum zu verneinen; eine Beseitigung komme nicht in Betracht.
Die Klägerin fand sich damit nicht ab (Hauptmotivation für ihr hartnäckiges Verfolgen des Beseitigungsanspruchs war wohl, dass dem Erwerber das gekaufte Grundstück insgesamt zu „schattig“ war) und legte Berufung zum Landgericht München I ein. Nachdem die zuständige Kammer in einem Hinweisbeschluss erkennen ließ, dass sie die „natürliche Betrachtungsweise“ des Amtsgerichts teilen werde, nahm die Klägerin ihre Berufung zurück.
Das Urteil ist damit rechtskräftig.
Urteil des Amtsgericht München vom 01.09.2004; Aktenzeichen: 141 C 20247/04