STRAFRECHT
Fesselung Strafgefangener während Klinikbehandlung verletzte Menschenwürde
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Marburg (jur). Werden Strafgefangene wegen starker Schmerzen in einer Klinik ärztlich behandelt, sollten die anwesenden Polizeibeamten unter Umständen auf Hand- und Fußfesseln verzichten. Denn die Fesselung des Häftlings kann dessen Menschenwürde verletzen und eine Entschädigungszahlung begründen, entschied das Landgericht Marburg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 22. September 2015 (Az.: 7 O 112/11). Das gelte etwa, wenn der Gefangene gefesselt seine Notdurft verrichten muss.
Damit bekam ein in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Schwalmstadt inhaftierter Strafgefangener recht. Der Mann muss wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung verbüßen. Als er am 19. November 2009 plötzlich auftretende krampfartige Nierenkoliken hatte, wurde er ins Krankenhaus gebracht.
Die JVA ordnete an, dass der Mann wegen Fluchtgefahr ständig und unmittelbar von Polizeibeamten überwacht werden sollte. Der Häftling sollte zudem Hand- und Fußfesseln tragen.
Während der ärztlichen Behandlung wurde die Fesselung beibehalten. Der Gefangene erhielt mehrere Einläufe verabreicht, mindestens sechs Polizeibeamte schauten dabei zu. Als der Mann schließlich auf die Toilette musste, wurde ihm dies in dem fensterlosen Toilettenraum verweigert. Stattdessen musste der Gefangene gefesselt seine Notdurft unter Anwesenheit aller Polizisten auf einen herbeigeholten Toilettenstuhl verrichten.
Wegen dieses Vorgehens sah der Häftling sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und damit seine Menschenwürde verletzt. Er forderte eine Entschädigung in Höhe von 5.000 Euro.
Das Landgericht sprach ihm wegen der Verletzung der Menschenwürde einen Betrag von 2.500 Euro zu. Die Weisung, eine Fesselung unter allen Umständen aufrechtzuerhalten, war „unvertretbar und damit sorgfaltspflichtwidrig“. Das Land habe lediglich über eine mögliche Flucht spekuliert, ohne dafür konkrete Hinweise zu haben. In der Vergangenheit habe der Häftling bei durchgeführten Ausführungen aber keine Fluchtversuche unternommen.
Den beteiligten Beamten habe es sich zudem aufdrängen müssen, „dass die besondere Situation und die Art der medizinischen Behandlung eine Ausnahme von einer zuvor angeordneten Fesselung erforderlich machten“, heißt es weiter in dem Urteil. Die Fesselung sei unter diesen Umständen als Bloßstellung und Entwürdigung anzusehen.
Ein nachvollziehbarer Grund, warum der Gefangene nicht den fensterlosen Toilettenraum aufsuchen durfte, gebe es ebenfalls nicht, rügte das Gericht. Bei der Verletzung der Menschenwürde sei zudem zu berücksichtigen, dass der Kläger sich wegen seiner Fesselung nach der Darmentleerung nur sehr schwer reinigen konnte.
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