FAMILIENRECHT
Impfempfehlungen für Kinder haben Vorrang vor Impfangst
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Impfempfehlungen für Kinder haben Vorrang vor Impfangst © Symbolgrafik:© weyo - stock.adobe.com
Frankfurt/Main (jur). Ein getrennt lebender Vater kann auch gegen den Willen der Mutter regelmäßig verlangen, dass das gemeinsame Kind die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert-Koch-Institut empfohlenen Impfungen erhält. Orientiert sich der Vater an den Stiko-Empfehlungen, kann der andere Elternteil grundsätzlich nicht die Einholung eines Sachverständigengutachtens einfordern, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 11. Juli 2023 (Az.: 6 UF 53/23). Der die Impfung befürwortende Elternteil dürfe dann bei kleineren Kindern entscheiden.
Im konkreten Fall ging es um getrennt lebende Eltern eines sechsjährigen Jungen. Der Vater hatte gerichtlich beantragt, dass ihm die Entscheidung über die Impfung des Kindes übertragen wird. Die Mutter jegliche Impfung bei dem Sechsjährigen abgelehnt. Das Kind ist daher gänzlich ungeimpft. Die Impfungen etwa gegen das Rotavirus, Diphterie, Masern oder Kinderlähmung würden aber dem Kindeswohl entsprechen. Der Vater verwies auf ein ärztliches Attest des behandelnden Kinderarztes.
Die Mutter fürchtete dagegen um die Gesundheit des Kindes und verwies auf verschiedene Kontraindikationen. Sie führte eine familiäre Vorbelastung für Impfschäden an. So habe der älteste Sohn auf eine Sechsfachimpfung plus Meningokokkenimpfung zu schrillem Schreien und massivem Überstrecken geführt. Ein neurologischer Impfschaden habe sich durch Einschlafstörungen angedeutet. Sie selbst habe in der Kindheit Impfschäden etwa in Form einer Immunschwäche davongetragen.
Daher müsse ein Sachverständiger mit Spezialkenntnissen über Impfnebenwirkungen angehört werden. Wegen Umgangsstreitigkeiten wolle der Vater wohl den Impfwunsch gegen ihren Willen durchsetzen. Die Mutter legte noch zwei ärztliche Bescheinigungen vor, nach der das Kind wegen Kontraindikationen „dauerhaft nicht an Impfungen teilnehmen kann“ beziehungsweise von der Masern-Impfung befreit ist.
Das Amtsgericht Bensheim übertrug dem Vater die Entscheidung über die Impfung des Sechsjährigen. Die Mutter legte dagegen Beschwerde beim OLG ein.
Zwischenzeitlich hatte der Vater auf Nachholimpfungen verzichtet, die von der Stiko für das Alter des Kindes nicht mehr empfohlen werden. Dazu gehören die Impfungen gegen Rotavirus, Haemophilus influenzae Typ b und Pneumokokken.
Das OLG entschied, dass der Vater über alle anderen, von der Stiko empfohlenen Impfungen entscheiden kann. Dies liege im Interesse des Kindeswohls. Können sich Eltern nicht hinsichtlich der Impfungen einigen, seien die Stiko-Empfehlungen maßgeblich, ohne dass ein Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse. Ausnahme: Es gebe im Einzelfall Anlass zu weiteren Ermittlungen.
Hier habe die Mutter aber nicht ausreichend belegt, dass ihre und die des ältesten Kindes vorgebrachten angeblichen Impfreaktionen tatsächlich auf Impfungen zurückgehen. Schließlich komme es auch nicht darauf an, dass der Sechsjährige die Impfung ablehne. Das Kind verfüge noch nicht über die nötige „geistige und sittliche“ Reife, selbst über die Impfung bestimmen zu können. Außerdem könne der Vater als Lehrer das Kind mit pädagogischem Sachverstand auf die Impfung angemessen vorbereiten.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock