KINDESUNTERHALT
Kindesunterhalt: Fiktives Einkommen ausschlaggebend
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Karlsruhe (jur). Gehen geschiedene Väter nicht arbeiten oder verdienen sie extra wenig, um geringeren Kindesunterhalt zu zahlen, kann dies nach hinten los gehen. Denn unterlässt der Unterhaltspflichtige „eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit“, kann bei der Bemessung des Kindesunterhalts ein fiktives Einkommen zugrunde gelegt werden, entschied das Bundesverfassungsgericht in drei am Freitag, 6. Juli 2012, veröffentlichten Beschlüssen (Az.: 1 BvR 774/10, 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11). Folge sind dann höhere Unterhaltszahlungen. Allerdings muss individuell geprüft werden, ob der Unterhaltspflichtige sich tatsächlich nicht um einen Job oder eine bessere Entlohnung bemüht hat, so die Karlsruher Richter. Auch müsse das zugrunde gelegte fiktive Einkommen „objektiv erzielbar“ sein.
In den entschiedenen Fällen gab der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts allerdings drei geschiedenen beziehungsweise getrennt lebenden Vätern recht, die sich gegen höhere Kindesunterhaltszahlungen gewehrt haben. Im ersten Fall arbeitete der aus Ghana stammende Beschwerdeführer als Küchenhilfe und erzielte ein monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 1.027 Euro.
Das Amtsgericht verurteilte ihn, an seinen Sohn den Mindestunterhalt von damals 199 Euro monatlich zu zahlen. Damit stehe ihm zwar nicht mehr sein Selbstbehalt von 900 Euro zur Verfügung, bei ihm sei aber noch ein fiktives Einkommen anzunehmen. Denn er könne sich einen besser bezahlten Job oder zumindest noch einen Nebenjob suchen.
Auch in den beiden anderen Fällen wurden die Väter vom Amtsgericht zu höheren Kindesunterhaltszahlungen verdonnert. Beide Beschwerdeführer sind körperbehindert und leben von Sozialleistungen. Die Amtsgerichte hatten bei ihnen ebenfalls ein fiktives Einkommen angenommen, welches zu höheren Unterhaltszahlungen führte.
Ihnen wurden unzureichende Bewerbungsbemühungen um einen neuen Job vorgeworfen. So sei einem Vater zuzumuten gewesen, sich überregional um eine Stelle als Nachtportier oder Pförtner zu bemühen. Bei dem anderen unterhaltspflichtigen Vater wurde betont, dass seine körperlichen Einschränkungen ihn nicht davon entbinden, alles ihm Mögliche zur Sicherung des Unterhalts seines minderjährigen Kindes zu unternehmen. Daher müsse bei ihm ebenfalls ein fiktives Einkommen angerechnet werden.
Die Karlsruher Richter stellten in ihren drei Beschlüssen vom 18. Juni 2012 eine Verletzung des Grundrechts auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit fest. Zwar dürfe ein fiktives Einkommen herangezogen werden, wenn Unterhaltspflichtige eine mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit nicht nachgehen, obwohl sie diese „bei gutem Willen“ ausüben könnten. Hier hätten die Gerichte jedoch nicht ausreichend die persönlichen Voraussetzungen der Beschwerdeführer beleuchtet.
So sei bei dem aus Ghana stammenden Vater gar nicht klar, ob der Arbeitsmarkt für ihn auch tatsächlich andere, besser bezahlte Jobs bereithält. Bei den beiden körperbehinderten Beschwerdeführern seien zwar unzureichende Bewerbungsbemühungen festgestellt worden. Die Gerichte hätten aber nicht ausgeführt, inwieweit die Väter trotz ihres Alters und ihren gesundheitlichen Einschränkungen objektiv in der Lage waren, ihre Arbeitskraft voll einsetzen zu können. Die Zugrundelegung eines fiktiven Einkommens zur Berechnung des Kindesunterhalts sei damit unzulässig, so das Bundesverfassungsgericht.
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