ERBRECHT
Prozesskosten werden steuerlich absetzbar
Autor: Michael Henn - Rechtsanwalt
BFH mindert das Kostenrisiko von Zivilprozessen - Zivilprozesskosten sind nun als außergewöhnliche Belastung abziehbar bei der Einkommensteuererklärung
Unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der Bundesfinanzhof jetzt entschieden, dass Kosten eines Zivilprozesses unabhängig von dessen Gegenstand bei der Einkommensteuer als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Darauf verweist der Rechtsanwalt / Fachanwalt für Erbrecht / Fachanwalt für Arbeitsrecht Michael Henn aus der Kanzlei Dr. Gaupp & Coll. Stuttgart, unter Hinweis auf die Mitteilung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13. Juli 2011 zum Urteil vom 12. Mai 2011 - VI R 42/10.
Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes können bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Außergewöhnliche Belastungen sind dem Steuerpflichtigen zwangsläufig entstehende größere Aufwendungen, die über die der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands entstehenden Kosten hinausgehen. Kosten eines Zivilprozesses hatte die Rechtsprechung bisher nur ausnahmsweise bei Rechtsstreiten mit existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Mit dem Urteil vom 12. Mai 2011 hat der BFH diese enge Gesetzesauslegung aufgegeben und entschieden, so Henn, dass Zivilprozesskosten unabhängig vom Gegenstand des Zivilprozesses als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.
Unausweichlich seien derartige Aufwendungen allerdings nur, wenn die Prozessführung hinreichende Aussicht auf Erfolg biete und nicht mutwillig erscheine. Davon sei auszugehen, wenn der Erfolg des Zivilprozesses mindestens ebenso wahrscheinlich wie ein Misserfolg sei. Das Finanzamt müsse insoweit eine pauschale Einschätzung vornehmen.
Diese Entscheidung ist für Privatpersonen von besonderer Bedeutung. Denn bisher konnten Prozesskosten steuerlich nur geltend gemacht werden, wenn die Kosten im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen standen. Ansonsten war nur in Ausnahmefällen die steuerliche Absetzung vom Prozesskosten möglich.
Besondere Bedeutung hat diese Entscheidung für erbrechtliche Gerichtsverfahren. Denn bisher konnten dienet Prozesskosten fast nie abgesetzt werden, zukünftig wird dies immer möglich sein, wenn das gerichtliche Verfahren zumindest begrenzte Aussicht auf Erfolg hatte.
Nachdem erbrechtliche Streitigkeiten in der Regel nicht von Rechtsschutzversicherungen abgedeckt werden, mussten die Betroffenen diese Kosten vollständig selbst tragen, soweit nicht durch ein Urteil der Gegner zur Übernahme der Kosten verpflichtet wurden. Zukünftig können solche Prozesskosten aber dann wenigstens steuerlich geltend gemacht werden, wenn man das Verfahren verliert und sowohl die eigenen auch als die gegnerischen Kosten bezahlen muss.
Hiermit wird faktisch das Prozesskostenrisiko oftmals deutlich gemindert werden.