EU-RECHT
Rumänien soll Krankenhausbehandlungen im Ausland bezahlen
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Luxemburg (jur). Medizinische Mangelländer wie Rumänien müssen Patienten gegebenenfalls eine Krankenhausoperation im Ausland bezahlen, wenn der Mangel eine rechtzeitige Operation im Inland verhindert. Das hat am Donnerstag, 9. Oktober 2014, der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden (Az.: C-268/13). Voraussetzung ist, dass das Gesundheitssystem des ganzen Landes die Operation nicht rechtzeitig anbieten kann. Wer dies beweisen muss, ließ der EuGH allerdings offen.
Danach kann eine Rumänin auf Kostenerstattung von 17.715 Euro für eine Herzoperation in Deutschland hoffen. Sie war wegen einer schweren Erkrankung ihrer Herzgefäße bereits 2007 erfolglos operiert worden. 2009 wurde sie erneut in eine Herzklinik in Temeswar eingeliefert. Nach Ansicht der dortigen Ärzte war innerhalb von drei Monaten eine Operation am offenen Herzen notwendig, um die Mitralklappe auszutauschen und zwei Stents einzusetzen.
Die Patientin traute dies der rumänischen Klinik nicht zu. Es fehle dort selbst an grundlegendem Material wie Schmerzmitteln, medizinischem Alkohol und sterilen Verbänden. Mit drei Patienten pro Bett sei das Krankenhaus erheblich überbelegt. Eine Behandlung im Ausland lehnte die Krankenkasse aber ab. Die Ärzte hätten nicht festgestellt, dass die Operation – gegebenenfalls auch in einem anderen Krankenhaus – in Rumänien nicht rechtzeitig erbracht werden könne.
Die Patientin entschied sich dennoch für eine Operation in Deutschland und verlangt nun von ihrer Krankenkasse die Erstattung der hiesigen Behandlungskosten. Das rumänische Landgericht in Sibiu legte den Streit dem EuGH vor.
Nach bisheriger EuGH-Rechtsprechung können sich EU-Bürger in einem anderen Staat behandeln lassen, wenn eine in ihrem Heimatland eigentlich gewährte Behandlung dort nicht rechtzeitig möglich ist.
Nach dem neuen Urteil gilt dies auch dann, wenn der Grund hierfür in einer generellen Mangelsituation liegt. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Behandlung „rechtzeitig erlangt werden kann“, seien nach EU-Recht „sämtliche Umstände des konkreten Falles“ zu beachten. Dazu gehöre auch das Fehlen von Medikamenten und grundsätzlichem medizinischen Material.
Gleichzeitig stellte der EuGH aber klar, dass dies „auf der Ebene sämtlicher Krankenhauseinrichtungen des Wohnsitzmitgliedstaats zu beurteilen ist“. Zudem komme es auf das verfügbare Zeitfenster an.
Rumänien hatte vor dem EuGH argumentiert, dass sich die Patientin auch an eine andere Klinik hätte wenden können. Ob die Operation in einem anderen rumänischen Krankenhaus innerhalb von drei Monaten möglich gewesen wäre, soll nun das Landgericht in Sibiu prüfen.
Offen bleibt nach dem Luxemburger Urteil allerdings die für die praktischen Folgen entscheidende Frage der sogenannten Beweislast. Der EuGH gab keinen Hinweis, ob nun die rumänische Krankenkasse eine mögliche Klinik benennen muss, oder ob umgekehrt die Patientin nachweisen muss, dass ihre Operation nirgendwo in Rumänien möglich gewesen wäre.
Mit seinem Urteil weicht der EuGH deutlich von den sogenannten Schlussanträgen des EuGH-Generalanwalts Cruz Villalón ab. Der richterliche Rechtsgutachter hatte am 19. Juni 2014 vor einer „massiven Gesundheitsmigration“ gewarnt. Diese könne die für den Gesundheitssektor verfügbaren Mittel der ärmeren EU-Staaten weitgehend verschlingen, wodurch die Versorgung in dem jeweiligen Herkunftsland noch mehr leide. Nach seinem Kompromissvorschlag sollten die Länder daher nicht für Behandlungen im Ausland bezahlen müssen, die aus einem „strukturellen Mangel“ heraus im Herkunftsland nicht angeboten werden können.
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