SCHULRECHT
Schulfrieden hat Vorrang vor Inklusion
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
Schulfrieden hat Vorrang vor Inklusion © Symbolgrafik:© Corri Seizinger - stock.adobe.com
Lüneburg (jur). Der Schulfrieden und der Schutz von Mitschülern vor ständigen Übergriffen eines psychisch kranken Schülers hat Vorrang vor dem Inklusionsgedanken. Die Schule darf bei einem anhaltenden übersexualisierten Verhalten eines Zehnjährigen und das Verletzen einer Schülerin mit einem Rasiermesser als Ordnungsmaßnahme einen Schulwechsel veranlassen, entschied das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Lüneburg in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 29. September 2023 (Az.: 2 ME 75/23).
Im konkreten Fall ging es um einen zehnjährigen Schüler, bei dem eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) besteht. Ein Kinder- und Jugendpsychiater hatte dem Jungen eine „kurze Zündschnur“ bescheinigt. Er sei ein „bedürfnisorientiert agierender Zehnjähriger mit erheblichen Schwierigkeiten in der Aufmerksamkeitslenkung und in seiner Impulskontrolle“.
In der Schule fiel der Junge durch ständige Beleidigungen von Mitschülern und Lehrern auf. Immer wieder schlug er Mitschüler und zeigte ein übersexualisiertes Verhalten. So griff er Mädchen unter dem Rock oder fasste sie an Brüste und Po. Ermahnungen des Lehrpersonals und Gespräche mit den Eltern führten zu keiner Änderung.
Als der Zehnjährige an einem Tag ein Rasiermesser mit in die Schule brachte und er angeblich bei einer Schülerin nur die Haare an ihrem Arm entfernen wollte, hatte das Mädchen den Arm weggezogen. Sie erlitt dabei eine Schnittverletzung. Als der Junge gegenüber den Lehrern erklärte, dass er ein „Mann“ sei und er Mädchen mit dem Rasiermesser verletzen dürfe, zog die Schulleitung die Reißleine. Als Ordnungsmaßnahme wurde beschlossen, dass der Schüler an eine andere Schule wechseln muss. Das Regionale Landesamt für Schule und Bildung genehmigte die Überweisung.
Der dagegen eingelegte Widerspruch der Eltern blieb erfolglos.
Das Verwaltungsgericht Hannover lehnte den Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ebenso ab, wie nun das OVG. Schulen seien zwar zur Integration von Schülern mit besonderem Förderbedarf verpflichtet. Dies bedeute aber nicht, dass sie gravierende Pflichtverletzungen hinnehmen müssten. Das schulrechtliche Inklusionsprinzip stehe der Überweisung des Zehnjährigen an eine andere Schule nicht entgegen.
Denn die Schule müsse auch die „durch die Pflichtverletzungen betroffenen Schülerinnen und Schüler sowie die Sicherung des zur Erfüllung des Bildungsauftrags der Schule erforderlichen Schulbetriebs“ schützen. Die Klassenkonferenz habe bei ihrer Entscheidung auch das die ADHS-Störung des Zehnjährigen ausreichend berücksichtigt. Zwar dürfe eine Ordnungsmaßnahme nicht den Charakter eines dauerhaften Schulausschlusses annehmen. Hier könne der Zehnjährige aber weiter eine Schule besuchen, nur jedoch eine andere.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock