PRESSERECHT
Schutz der Intimsphäre von Zeugen hat Vorrang vor Pressefreiheit
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Schutz der Intimsphäre von Zeugen hat Vorrang vor Pressefreiheit © Symbolgrafik:© U. J. Alexander - stock.adobe.com
Karlsruhe (jur). Gerichte dürfen in einem Verfahren zum Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch einen katholischen Priester Zeugen bei ihrer Aussage vor einer beeinträchtigenden Presseberichterstattung schützen. Auch wenn zu dem Thema ein „herausragendes öffentliches Informationsinteresse“ besteht, darf zum Schutz der Intimsphäre des Zeugen ein Gericht der Presse eine Geheimhaltungspflicht auferlegen und die Verwertung der Zeugenaussage verbieten, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag, 24. November 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 2036/23). Der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und der Intimsphäre könne die Einschränkung der Pressefreiheit rechtfertigen.
Anlass des Rechtsstreits waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen katholischen Priester, der von Kardinal Rainer Woelki vom Erzbistum Köln befördert worden war. Die „Bild“-Zeitung hatte 2021 über den Vorwurf gegen den Priester berichtet, dass dieser Messdiener zu Saunabesuchen, Alkohol, Masturbation und das Zeigen von Pornofilmen animiert haben soll. Im Zuge der Berichterstattung wurde der Geistliche beurlaubt, in einem kirchenrechtlichen Verfahren wurde er zwischenzeitlich freigesprochen.
Doch der Streit um die Vorwürfe landete auch vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht (OLG) Köln. Das OLG wollte mit der Zeugenaussage eines Betroffenen prüfen, was an den Vorwürfen dran ist. Bei der Befragung des mutmaßlichen Missbrauchsopfers wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Presse wurde eine Geheimhaltungspflicht auferlegt, so dass sie nicht über die Aussage des Zeugen und dem Inhalt der Beweisaufnahme berichten durfte.
Dagegen legten ein Presseunternehmen und zwei Mitarbeiter Verfassungsbeschwerde ein. Sie müssten über wahre Tatsachen bei der Zeugenvernehmung berichten können. Die Pressefreiheit werde verletzt.
Das Bundesverfassungsgericht hielt mit Beschluss vom 10. November 2023 die Verfassungsbeschwerde für unzulässig. Warum die Pressefreiheit und das öffentliche Informationsinteresse hier Vorrang vor dem Schutz der Intimsphäre des Zeugen haben soll, sei nicht „nachvollziebar“ begründet worden.
Gerichtsprozesse würden „zwar in der, aber nicht für die Öffentlichkeit stattfinden“. Hier überwiege das Interesse des Zeugen am Schutz seiner Intimsphäre. Gerichte seien zu deren Schutz berufen. Zu Recht habe das OLG die Möglichkeit im Gerichtsverfassungsgesetz wahrgenommen, die Presse zur Geheimhaltung der Aussagen zu verpflichten. Dies diene auch dazu, dass Zeugen in Gerichtsprozessen zur Aussage bereit sind und damit zur „ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung beitragen“. Das öffentliche Informationsinteresse sei nicht in gleicher Weise schützenswert wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht, so die Verfassungsrichter.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock