SOZIALRECHT
Betreute Wohngemeinschaft ist nicht generell ein „Heim“
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Karlsruhe (jur). Können in einer Wohngemeinschaft lebende schwerst Pflegebedürftige frei über den Anbieter von Betreuungs- und Pflegedienstleistungen bestimmen, gilt ihre Unterkunft nicht als „Heim“. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 17. Januar 2019, veröffentlichten Beschluss entschieden (Az.: XII ZB 517/17). Er sprach damit einem Betreuer eine höhere Vergütung für seine Arbeit zu.
Konkret ging es um einen schwerst Pflegebedürftigen aus Amberg in der Oberpfalz. Der Mann lebt mit anderen Pflegebedürftigen in einer betreuten Wohngemeinschaft. Gemeinsam haben sie entschieden, dass die Betreuungs- und Pflegedienstleistungen von bestimmten Anbietern erbracht werden, die organisatorisch mit dem Vermieter verbunden ist. Nach dem Mietvertrag waren sie dazu aber nicht verpflichtet.
Als der Betreuer für die Zeit vom 11. September 2016 bis 10. Dezember 2016 eine Betreuervergütung in Höhe von pauschal 594 Euro beantragte, hielt der Pflegebedürftige diese für zu hoch. Seine Pflege-Wohngemeinschaft sei betreuungsrechtlich als „Heim“ anzusehen. In einem Heim würden aber Betreuungsaufgaben vom Heimbetreiber abgenommen. Daher sei hier die gesetzliche geringere Betreuungsvergütung für Heim-Bewohner in Höhe von 330 Euro angemessen.
Erforderliche Pflegedienstleistungen
Der BGH entschied in seinem Beschluss vom 28. November 2018, dass der Betreuer die höhere pauschale Vergütung beanspruchen kann. Der Pflegebedürftige lebt danach in seiner Pflege-WG nicht in einem stationären „Heim“. Ein Heim liege erst dann vor, wenn der Vermieter zusätzlich zum Wohnen verpflichtend auch die Inanspruchnahme seiner Pflege- und Betreuungsleistungen „aus einer Hand“ anbietet.
Zwar hätten hier die WG-Bewohner die erforderlichen Pflegedienstleistungen von Anbietern in Anspruch genommen, die organisatorisch mit dem Vermieter verbunden sind. Dazu seien sie aber vertraglich nicht verpflichtet gewesen. Die Gesamtheit der WG-Bewohner könne laut Mietvertrag auch einen anderen Pflegedienstanbieter frei wählen.
Pflegeversicherung gewährt nur Leistungen zur ambulanten Pflege
Nicht ausschlaggebend sei, welchen Grad der Pflegebedürftigkeit der Bewohner hat. Im konkreten Fall habe die Pflegeversicherung bei dem Betroffenen auch nur Leistungen zur ambulanten Pflege gewährt.
Wegen der Unterbringung in einer Pflege-WG habe der Betreuer auch nicht weniger Arbeit. Denn er müsse weiterhin Aufgaben der Überwachung und Organisation wahrnehmen. Dazu gehöre hier etwa die Organisation der Dienstleister für Beatmungstechnik und künstliche Ernährung. Er müsse sich auch um die Apotheke, den Optiker, den Augenarzt oder um Hygieneartikel selbst kümmern.
Intensivmedizinische und hauswirtschaftliche Betreuung
Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte am 24. November 2017 allerdings geurteilt, dass die „Rund-um-die-Uhr“-Betreuung von Wachkomapatienten in einer „Wohngemeinschaft“ als genehmigungspflichtige Pflegeeinrichtung gilt, die der Heimaufsicht untersteht (Az.: 26 K 6422/16; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag).
Auch das Verwaltungsgericht Hannover hatte am 21. September 2011 ähnlich zu „Rudi Carells Mühle“ entschieden (Az.: 11 A 913/10; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Nach dem Tod des Showmasters hatten die neuen Eigentümer einzelne Zimmer der Mühle an schwer Pflegebedürftige untervermietet. Gleichzeitig übernahm die intensivmedizinische und hauswirtschaftliche Betreuung der Pflegedienst der Vermieterin. Da Wohnen, Pflege und Betreuung aus einer Hand angeboten werden, liege eine Pflegeeinrichtung vor.
Die Einstufung einer Einrichtung hat nicht nur für die Betreuer Folgen. Ein Heim wird durch die Heimaufsicht kontrolliert. Die Pflegeversicherung zahlt zudem geringere Pflegesätze als für Bewohner einer „Wohngemeinschaft“.
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