ARBEITSRECHT
Fristlose Kündigung bei Betrugshandlung durch Arbeitnehmer
Autor: Volker Backs LL.M. - Rechtsanwalt
Vertrauenskonten für Arbeitnehmer? - „Emmely" und die Folgen
LArbG Berlin-Brandenburg, 2 Sa 509/10, Urteil vom 16.09.2010
Nachdem das Bundesarbeitsgericht im Juni die fristlose Kündigung einer Kassiererin für unwirksam erachtete, hat nun neuerlich das LArbG Berlin-Brandenburg die Kündigung einer langjährig Beschäftigten wegen einer Betrugshandlung im Umfange von etwa 160 € für unwirksam erklärt und ausdrücklich auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 10.06.2010 (2 AZR 541/09 „Emmely") berücksichtigt.
Die Arbeitnehmerin war - offenbar unbeanstandet - bei der Beklagten als Zugabfertigerin über 40 Jahre beschäftigt. Aufgrund einer internen Regelung war die Arbeitnehmerin berechtigt, die bei der Feier ihres Dienstjubiläums anfallenden Kosten von bis zu 250,00 € erstatten zu lassen. Diese Kosten wies sie mit einer entsprechenden Rechnung nach und ließ sich den Betrag auszahlen, obwohl tatsächlich nur Kosten von rund 90 € angefallen waren.
Trotz der Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes, dass die Arbeitnehmerin eine strafrechtlich relevante grobe Pflichtverletzung begangen habe und damit ohne weiteres einen „Kündigungsgrund an sich" gesetzt habe, hat das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung für unwirksam erachtet. Unter Berücksichtigung der sog. Pfandbon-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes hat das Gericht im besonderen darauf abgestellt, dass aufgrund der 40-jährigen beanstandungsfreien Beschäftigungszeit der Arbeitnehmerin ein sehr hohes Maß an Vertrauenskapital gebildet worden sei. Dies sei auch durch einmalige Verfehlung nicht vollständig zerstört.
Des Weiteren sei zu berücksichtigen gewesen, dass die Pflichtwidrigkeit nicht im Rahmen ihrer typischen Tätigkeiten erfolgt sei - wie bei der Kassiererin Emmely im Rahmen ihrer Kassentätigkeit - und im übrigen sie den Vorwurf bei der Anhörung sofort eingeräumt habe.
Das Gericht hat festgestellt, dass die zugunsten der Arbeitnehmerin sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen der auf den Einzelfall bezogenen Interessenabwägungen eine fristlose Kündigung der Arbeitnehmerin nicht rechtfertigen konnten, weshalb diese wegen der tarifvertraglichen ordentlichen Unkündbarkeit weiter zu beschäftigen war.
Das Gericht hat allerdings festgestellt, dass es sich um eine massive Betrugshandlung der Arbeitnehmerin gehandelt habe, der durchaus ein sehr hohes Gewicht beizumessen gewesen sei. Nur die Besonderheiten des Einzelfalles seien geeignet gewesen, die fristlose Kündigung als nicht berechtigt anzusehen.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes zeigt erneut, dass die Gerichte auf der einen Seite keinerlei Abstriche bei der Feststellung der Pflichtwidrigkeit in derartigen Fällen machen, andererseits sie jedoch in vermehrtem Umfange der Interessenabwägung im Einzelfall entscheidende Bedeutung beimessen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Volker Backs LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
im September 2010