REISERECHT
Rücktrittsrecht bei Hotelreservierungsvertrag
Experten-Branchenbuch.de,
zuletzt bearbeitet am:
Ein nicht gewerblicher Reiseveranstalter kann von einer Hotelreservierung zurücktreten, wenn er andernfalls einem so großen Haftungsrisiko ausgesetzt wäre, dass ein Hotelier mit einer entsprechenden Haftungsbereitschaft seines Vertragspartners nicht rechnen durfte. Das hat das Oberlandesgericht Hamm in einem heute bekannt gewordenen Urteil entschieden.
Der Pfarrer einer Kirchengemeinde im Raum Arnsberg organisierte häufig mehrtägige Busreisen für Gemeindemitglieder. Aufgrund eines Angebotes eines Hotelrestaurants im südlichen Fichtelgebirge ließ er Mitte Oktober 1999 etwa 21 Doppelzimmer und etwa 7 Einzelzimmer für die Zeit vom 10. bis zum 17. September 2000 reservieren. Die Doppelzimmer sollten 552,-- DM pro Person, die Einzelzimmer 45,-- DM pro Person mehr kosten, incl. Halbpension. Anfang Juni 2000 sagte der Pfarrer die Reise ab, weil sich nicht genug Teilnehmer gemeldet hatten. Das Hotel verlangte von ihm, nachdem eigene Bemühungen nur teilweise Erfolg hatten, einen Ausfallschaden von über 21.000,-- DM.
Diesen Betrag muss der Pfarrer nach dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm nicht bezahlen:
Die Parteien hätten einen verbindlichen Hotelreservierungsvertrag geschlossen. Ein solcher Vertrag liege vor, wenn ein Reisebüro oder Reiseveranstalter mit einem Beherbergungsunternehmen eine Hotelreservierung abschließe, bei der die genaue Teilnehmerzahl noch nicht feststehe, die aber für beide Seiten verbindlich sein solle und bei der die Anmeldung, der Preis, dessen Fälligkeit, die Art der Zimmer und die ungefähre Bettenanzahl festgelegt werde. Ein Rücktrittsrecht sei im Vertrag nicht ausdrücklich vereinbart gewesen. Dem Pfarrer habe aber ein sogenanntes vertragsimmanentes Rücktrittsrecht zugestanden. Ein solches Recht bestehe, wenn die uneingeschränkte Bindung des Reiseveranstalters an die einmal getroffene Vereinbarung ihn mit einem Risiko solchen Umfangs belasten würde, dass ein billig und gerecht denkender Hotelier eine Bereitschaft hierzu auf Seiten des Vertragspartners nicht voraussetzen dürfe. Das Risiko sei dann vom Hotelier zu tragen, da dieser besser als der Reiseveranstalter in der Lage sei, über kurzfristig frei werdende Räume zu verfügen. Bei dem Pfarrer habe es sich nicht um einen Kaufmann gehandelt, sondern um eine Privatperson, die vornehmlich zu karitativen Zwecken Gruppenreisen organisiere. Mit der Organisation sei für ihn kein kommerzieller Zweck verbunden gewesen. Dementsprechend habe er auch aus der Organisation solcher Reisen heraus nicht über finanzielle Rück- oder Grundlagen verfügt, um etwaige Verluste auszugleichen. Das Rücktrittsrecht bestehe nicht zeitlich unbegrenzt. Der Beklagte habe aber dreieinhalb Monate vor dem beabsichtigten Reiseantritt und damit noch rechtzeitig gehandelt. Das Hotel habe angesichts der persönlichen Verhältnisse des Beklagten, der Art der Organisation und der potentiellen Mitglieder der Reisegruppe nicht erwarten dürfen, dass die endgültige Entscheidung über die Durchführung der Reise und die Zahl der Teilnehmer wesentlich vor diesem Zeitpunkt fallen würde.
(OLG Hamm, Urteil vom 29.05.2002, Aktenzeichen: 30 U 216/01)