STRAFRECHT
Verordnete Drogenabstinenz muss Süchtigem auch möglich sein
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Karlsruhe (jur). Verpflichtet ein Gericht unter Strafandrohung einen erfolglos therapierten Suchtkranken zur Abstinenz, sollte dieser dazu auch in der Lage sein. Andernfalls kann die Abstinenzweisung unverhältnismäßig sein und gegen das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit verstoßen, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 14. April 2016, veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 BvR 496/12).
Konkret ging es um einen heute 31-jährigen Mann aus Bayern, der seit seinem 17. Lebensjahr diverse Drogen, unter anderem Heroin, konsumiert. Als Heranwachsender wurde er auch mehrfach wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Danach war er immer wieder wegen des Besitzes von Drogen aufgefallen und zu Freiheitsstrafen verurteilt worden.
Therapien hielt der Mann nicht durch. Er wurde immer wieder rückfällig. Ein Gericht stellte fest, dass der 31-Jährige kein „ernstliches Interesse an einer Drogenentwöhnungstherapie“ habe. Er lasse sich nur deshalb immer wieder darauf ein, damit er die gegen ihn zur Bewährung verhängten Haftstrafen nicht antreten muss.
Am 4. Januar 2012 ordnete das Landgericht Landshut gegen den Mann die sogenannte Führungsaufsicht an. Dabei überwacht eine Aufsichtsstelle zusammen mit einem Bewährungshelfer das Verhalten des zur Bewährung entlassenen Straftäters.
Das Gericht erteilte gleichzeitig die Weisung, dass jeder „Umgang mit unerlaubten Betäubungsmitteln“ zu unterlassen sei. Bei einem Verstoß drohte dem 31-Jährigen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Letztlich solle die Allgemeinheit „vor weiteren erheblichen Straftaten“ durch den Suchtkranken geschützt werden.
Die Abstinenzweisung wollte der Mann nicht akzeptieren. Die Weisung stelle keine Hilfe zu einem drogenfreien Leben dar, sondern sei als „Instrument zur Kriminalisierung krankheitsbedingt nicht abstellbaren Konsumverhaltens anzusehen“.
Das Bundesverfassungsgericht sah durch die Abstinenzweisung das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit verletzt. Grundsätzlich könne ein Gericht zwar solch eine strafbewehrte Weisung erteilen. Auch stelle das damit verbunden Verbot, keine Betäubungsmittel zu konsumieren, für sich genommen keinen Grundrechtsverstoß dar.
Doch müsse die Weisung auch geeignet sein, den mit ihr angestrebten Zweck zu erreichen. „Bei einer Abstinenzweisung muss ... die Möglichkeit bestehen, dass Straftaten unterbleiben, die im Falle weiteren Suchtmittelkonsums zu erwarten wären“, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 30. März 2016. Sie dürfe den Betroffenen zudem nicht übermäßig belasten, sondern müsse zumutbar sein.
Ein nicht- oder erfolglos therapierter langjähriger Suchtkranker sei zum Verzicht auf Suchtmittel aber gar nicht ohne Weiteres in der Lage, so die Karlsruher Richter. Hier sei der Beschwerdeführer trotz mehrerer Freiheitsstrafen und Therapieangeboten immer wieder rückfällig geworden. Es sei fraglich ob, wie das Landgericht meinte, dass die Abstinenzweisung dazu beitrage, „sein noch junges Leben in den Griff“ zu bekommen.
Dass die Abstinenzweisung zum Schutz der Allgemeinheit notwendig sei, könne auch nicht geltend gemacht werden. Der 31-Jährige sei in den letzten Jahren nur noch wegen des Besitzes und nicht wegen des Handeltreibens von Betäubungsmitteln belangt worden.
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