ERBRECHT
Das Behindertentestament im Erbrecht
Autor: Alexander Grundmann - Rechtsanwalt
Was ist bei behinderten Erben zu beachten?
Wenn ein behindertes Kind, dass Sozialleistungen bezieht, zur Familie gehört, ist das Ziel der erbrechtlichen Gestaltung, die Lebensführung des beinderten Kindes über den Sozialhilfestandard hinaus zu verbessern und den Kern des Familienvermögens zu erhalten.
Die Ziele werden durch ein Beindertentestament erreicht. Durch ein Testament weicht man von der gesetzlichen Erbfolge und den daraus resultierenden unerwünschten sozialhilferechtlichen Auswirkungen ab
Konkret werden die Ziele durch zwei zentrale erbrechtliche Maßnahmen erreicht: nur Vorerbschaft des Behinderten und Testamentsvollstreckung für den Erbteil des behinderten Kindes.
Warum entscheidet man sich für ein Behindertentestament
Welche Regelungen des Sozialrechts sind für das Behindertentestament wichtig
Die testamentarische Gestaltung des Behindertentestaments muss den Regelungen über die Sozialhilfe entsprechen.
Maßgeblich sind die Regelungen im SGB XII. Danach gewährt der Träger der Sozialhilfe Behinderten Eingliederungshilfe, Hilfe zur Pflege sowie ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt.
Nachrangprinzip der Sozialhilfe und Recht auf Überleitung von Vermögen
Diese Sozialhilfeleistungen sind nachrangig. Der Behinderte erhält deshalb keine Sozialhilfe, soweit er sich durch eigenes Vermögen selbst helfen kann oder die notwendigen Leistungen von Angehörigen erhält.
Dies gilt auch für Vermögen, das der Hilfeempfänger von Todes wegen erwirbt. Bis zur sogenannten Schonvermögensgrenze ist solches Vermögen für den Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen aufzubrauchen. Solange aufbrauchbares Vermögen vorhanden ist, besteht kein Sozialhilfeanspruch.
Hat der Sozialhilfeträger bereits Leistungen erbracht, kann er Ansprüche auf die Übertragung von solchem Vermögen verlangen. Der Sozialhilefträger kann insbesondere einen Erbteil verwerten oder einen Pflichtteilsanspruch des Hilfeempfängers auf sich überleiten.
Auch beim Tod des Empfängers von Sozialhilfe kann der Sozialhilfeträger gegen dessen Erben (zum Beispiel dessen Geschwister) einen Kostenersatzanspruch für die Sozialhilfeleistungen, die in den letzten 10 Jahren vor dessen Tod gewährt worden sind, geltend machen (sogenannte sozialhilferechtliche Erbenhaftung).
Wie funktioniert das Behindertentestament
Das Behindertentestament zielt darauf ab, den erbrechtlichen Erwerb des Sozialhilfeempfängers vor dem Zugriff des Sozialhilfeträgers zu schützen. Dies geschieht durch die Vor- und Nacherbschaft und die Testamentsvollstreckung.
Vorerbschaft des Behinderten
Bei der Vor- und Nacherbschaft wird der Nachlass vor der Verwertung durch Gläubiger des Vorerben geschützt.
Zudem wird verhindert, dass ein ererbter Nachlass als eigenes Vermögen beim Tod des behinderten Kindes auf dessen Erben übergeht und damit der Sozialhilfeträger Kostenersatz für geleistete Leistungen verlangen kann.
Das behinderte Kind wird nur Vorerbe. Bei dessen Tod geht die Vorerbschaft auf den Nacherben über.
Vor- und Nacherbe beerben nacheinander denselben Erblasser bezüglich derselben Erbschaft. Der Nacherbe beerbt somit nicht den Vorerben, sondern den ursprünglichen Erblasser.
Im ersten Schritt wird der eingesetzte Vorerbe für einen begrenzten Zeitraum Erbe des Erblassers. Mit dem Eintritt des Nacherbfalles fällt als zweiter Schritt das Erbe des urprünglichen Erblassers an den Nacherben. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein.
Nicht befreiter Vorerbe
Ausgestaltet wird die Vorerbschaft beim Behindertentestament normalerweise als nicht befreite Vorerbschaft. Der nicht befreite Erbe ist in seiner Verfügung über den Nachlass beschränkt. Er (oder sein Betreuer) kann nicht über ererbten Grundbesitz ohne Zustimmung des Nacherben verfügen. Bei Geldvermögen steht dem Nacherben das Recht zu, von dem Vorerben die mündelsichere Anlage dieses Geldes bei einer Bank zu verlangen.
Die Nichtbefreiung des Vorerben von den Verfügungsbeschränkungen schafft neben der Testamentsvollstreckung eine zusätzliche Sicherung des Nachlassvermögens.
Höhe der Vorerbschaft
Zur Vermeidung von Pflichtteilsansprüchen und Pflichtteilergänzungsansprüchen, die der Sozialhilfeträger selbst geltend machen kann, muss der Erbteil größer als die Hälfte des gesetzlichen Erbteils sein. Zudem muss eine gewisse Substanz da sein, um daraus die Entnahmen des Testamentsvollstreckers zu finanzieren.
Testamentsvollstreckung für die Erbschaft des Behinderten
Die Testamentsvollstreckung verhindert, dass Gläubiger eines Erben Zugriff auf die Verwaltung von Nachlassgegenständen, die der Testamentsvollstreckung unterliegen, erhalten.
Damit wird sozialhilferechtlich nicht verwertbares Vermögen geschaffen und die Vermögenssubstanz bewahrt.
Durch die Verwaltungsanordnung wird der Testamentsvollstrecker angewiesen, die Erträge aus dem Vermögen nur in dem Umfang auszukehren, dass der Sozialhilfeträger darauf nicht zugreifen kann.
Wenn keine abweichende Verwaltungsanordnung getroffen wird, hat der Testamentsvollstrecker für einen angemessenen Unterhalt des Erben zu sorgen und diesem die Erträge des Nachlasses zur Verfügung zu stellen. Der sich daraus ergebende Anspruch des Erben kann von vom Sozialhilfeträger übergeleitet werden. Aus diesem Grund werden dem Testamentsvollstrecker die Verwaltungsanordnungen vorgegeben. Die Auskehr erfolgt nur in Form von sozialhilferechtlichem Schonvermögen.
Als Testamentsvollstrecker sollte eine Person bestimmt werden, zu der Vertrauen besteht und der das Amt sinnvoll – auch selbstbewußt gegenüber dem Sozialhilfeträger - ausüben kann.