BANKRECHT / KAPITALMARKTRECHT
OLG Oldenburg: Bank handelte mit Darlehensvertrag sittenwidrig
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„Liebe macht blind“ darf nicht ausgenutzt werden © NMann77 -stock.adobe.com
Oldenburg (jur). Eine Bank darf bei einem Darlehensvertrag nicht die Liebe und Unerfahrenheit einer mithaftenden 20-jährigen Bäckereifachverkäuferin ausnutzen. Hat die Frau aus emotionaler Verbundenheit zu ihrem Freund einen Darlehensvertrag über 90.000 Euro zu dessen Gunsten mit unterschrieben, kann es sittenwidrig sein, wenn die Bank sie später in die Mithaftung nimmt, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem am Donnerstag, 20. Juli 2023, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 8 U 172/22).
Im konkreten Fall ging es um eine Anfang 20-jährige Bäckereifachverkäuferin aus dem Kreis Osnabrück, die rund 1.300 Euro netto monatlich verdiente. Als ihr Freund alte Kredite umschichten und sich ein Auto kaufen wollte, nahm er ein Darlehen in Höhe von 90.000 Euro auf. Auch die Verkäuferin unterschrieb den Darlehensvertrag, obwohl sie selbst nichts von dem Kredit hatte.
Nachdem sich das Paar getrennt hatte, konnte der Ex-Freund die Raten an die Bank nicht mehr zahlen. Die Bank kündigte den Kreditvertrag und verlangte die Restforderung in Höhe von 50.000 Euro auf einen Schlag zurück. Da der Ex-Freund die Forderung nicht begleichen konnte, wandte sich die Bank an die junge Frau. Sie habe den Darlehensvertrag mitunterzeichnet und müsse nun für den noch offenen Darlehensbetrag mithaften.
Das OLG wies die Klage der Bank mit Urteil vom 29. Juni 2023 ab. Die Bank habe die Unerfahrenheit der Frau und die mit dem Darlehen verbundene krasse finanzielle Überforderung in sittenwidriger Weise ausgenutzt. Die Frau sei auch nicht die eigentliche Darlehensnehmerin gewesen, sondern habe nur eine Mithaftung übernommen. Sie selbst habe von dem Darlehen nichts gehabt.
Der Bank sei die emotionale Verbundenheit zu ihrem Freund ebenso bekannt gewesen, wie ihre beengten finanziellen Verhältnisse. Das Kreditinstitut habe auch gewusst, dass dies im Haftungsfall die Frau finanziell ruinieren könne. „Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken eine solche Situation ausnutzten“, heißt es weiter in dem Urteil.
Die Bank habe die Vermutung ihres sittenwidrigen Vorgehens im konkreten Fall auch nicht widerlegen können.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock