VERWALTUNGSRECHT
Abschiebungsschutz für Kleinkind erfordert individuelles Verfahren
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Abschiebungsschutz nach § 53 Absatz 6 Ausländergesetz (AuslG) kann auch im Familienverband nur wegen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit gewährt werden, die dem einzelnen Familienmitglied selbst im Zielland der Abschiebung drohen. Beruft sich die Mutter eines Kleinkindes auf dessen Schutzbedürfnis, muss dies in einem eigenständigen Verfahren des Kindes geprüft werden. Ein ausschließlich zugunsten der Mutter eingeleitetes Verfahren reicht hierfür nicht. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden.
Der Entscheidung des Gerichts lag der Fall einer 33jährigen Nigerianerin zugrunde, die nach Einreise nach Deutschland im Oktober 2002 eine Tochter zur Welt brachte. Den Antrag der Nigerianerin auf Gewährung von Asyl und Abschiebungsschutz lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ab und drohte ihr die Abschiebung nach Nigeria an. Einen Antrag auf Gewährung von Abschiebungsschutz für ihre Tochter stellte die Ausländerin nicht. Auf ihre Klage gegen die ablehnende Behördenentscheidung gewährte ihr das Verwaltungsgericht Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG und begründete dies mit dem Schutzbedürfnis für ihre Tochter. Mutter und Tochter wurden vom erstinstanzlichen Gericht im Hinblick auf den begehrten Abschiebungsschutz als Einheit gesehen. Dem sind der Bayerische Verwaltungsgerichtshof und nunmehr auch das Bundesverwaltungsgericht entgegen getreten.
Das Bundesverwaltungsgericht hält an seiner Rechtsprechung fest, dass Abschiebungshindernisse wegen Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit eines Ausländers nach § 53 Abs. 6 AuslG individuelle Rechtspositionen darstellen, die auch im Familienverband für jedes Familienmitglied gesondert zu prüfen sind. Dadurch entsteht selbst für von der Mutter abhängige Kleinkinder keine Schutzlücke. Liegt bei einem Kind ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 AuslG vor, kann dies in einem eigenständigen Verfahren geltend gemacht werden. Würde ein solches Abschiebungshindernis für die Tochter der Klägerin festgestellt – was bisher nicht der Fall ist – wäre dies von der Ausländerbehörde bei ihrer Entscheidung über die Abschiebung der ausreisepflichtigen Mutter zu berücksichtigen. Die grundrechtlich geschützte Familieneinheit ist dann ein wesentlicher Gesichtspunkt, der der Abschiebung der Mutter entgegensteht.
BVerwG 1 C 27.03 – Urteil vom 16. Juni 2004