VERWALTUNGSRECHT
Länder müssen für Kosten der Schwangerschaftskonfliktberatung aufkommen
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Das Bundesverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebots wohnortnaher Beratungsstellen erforderlich sind, einen Anspruch auf Übernahme von mindestens 80 % ihrer notwendigen Personal- und Sachkosten durch den Staat haben.
Geklagt hatte ein Wohlfahrtsverband, der in Niedersachsen eine vom Land anerkannte Beratungsstelle für Ehe-, Familien- und Schwangerschaftskonflikte betreibt. Seinen Antrag auf einen Zuschuss zu den Ausgaben für die Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung in Höhe der Hälfte der dafür veranschlagten Kosten von 65 000 DM im Jahr 1997 lehnte das Land ab. Es war nur bereit, 5 800 DM zu zahlen. Dazu berief es sich auf ministerielle Richtlinien, die jeden Rechtsanspruch auf einen Zuschuss ausschlossen und die Förderung unter den Vorbehalt verfügbarer Haushaltsmittel stellten. Das Oberverwaltungsgericht hatte die beklagte Bezirksregierung zur Neubescheidung verpflichtet mit der Begründung, je nach dem Umfang der zur Verfügung stehenden Eigenmittel und der Zahl der insgesamt im Lande bestehenden Beratungsstellen könne sich aus dem Schwangerschaftskonfliktberatungsgesetz ein Rechtsanspruch auf einen Zuschuss von bis zu 50 % der notwendigen Kosten einer Beratungsstelle ergeben.
Die Revision der Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht heute zurückgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung hat es die Rechtsstellung der Beratungsstellen wesentlich gestärkt. Aus § 4 Abs. 2 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes ergebe sich für die zur Sicherstellung des Versorgungsauftrages erforderlichen Beratungsstellen ein unmittelbar durchsetzbarer Rechtsanspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung. Insoweit habe das für die Umsetzung zuständige Land kein Ermessen. Der Anspruch sei auch nicht davon abhängig, ob der Landesgesetzgeber von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch mache, "das Nähere zu bestimmen". Die Entscheidung, ob eine Beratungsstelle erforderlich sei, müsse sich an dem im Gesetz festgelegten Versorgungsschlüssel von einer Vollzeitkraft je 40 000 Einwohner und dem Gebot eines pluralen Versorgungsangebots ausrichten. Eine angemessene Förderung müsse mindestens 80 % der anfallenden notwendigen Kosten decken.
Die Schwangerschaftskonfliktberatung sei eine staatliche Aufgabe, für die der Staat auch dann verantwortlich bleibe, wenn sie von gemeinnützigen oder privaten Trägern ausgeführt werde. Deshalb müsse der Staat die dafür anfallenden Kosten im Wesentlichen selbst tragen. Außerdem sei die Förderung von Schwangerschaftsberatungsstellen ein wesentlicher Teil des Lebensschutzes durch Beratung statt durch Strafdrohung. Der Staat dürfe sich seiner im Grundgesetz verankerten Garantenstellung für das werdende menschliche Leben nicht entziehen, indem er durch die Forderung nach einem zu hohen Eigenanteil des Trägers die vom Gesetz geforderte ausreichende Versorgung mit wohnortnahen Beratungsstellen unterschiedlicher weltanschaulicher Ausrichtung gefährde.
BVerwG 3 C 26.02 – Urteil vom 3. Juli 2003