ARBEITSRECHT
Neues vom BAG zur außerordentlichen Kündigung bei Diebstahl von Rechtsanwalt für Arbeitsrecht Robert Mudter
Autor: Robert Mudter - Rechtsanwalt
Das Bundesarbeitsgericht hatte erneut über einen Fall wegen Bagatell-Diebstahl zu entscheiden (Urteil vom 22.09.2016, Az. 2 AZR 848/15). Die Entscheidung weicht im Ergebnis von der berühmten Emmely Entscheidung, welche die Rechtsprechung in den letzten Jahren prägte, ab. Hatte das BAG bei Emmely einen Diebstahl als nicht ausreichend für eine außerordentliche Kündigung erachtet, sieht es in dieser Entscheidung einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung gegeben.
Was ist geschehen? In einem Unternehmen bestand der Verdacht, dass Mitarbeiter Zigarettenpackungen entwenden. Um dies überprüfen zu können, hatte der Arbeitgeber eine verdeckte Videoüberwachung im Kassenbereich durchgeführt, welche mit dem Betriebsrat abgestimmt war. Im Rahmen dieser Videoüberwachung ist als „Zufallsfund“ aufgefallen, dass die stellvertretende Filialleiterin Pfandflaschen über einen Scanner zog, um sich anschließend das Pfand für das Leergut einzustecken. In dem Fall ging es um eine Barauszahlung über 3,25 €.
Der Arbeitgeber hatte der stellvertretenden Filialleiterin daraufhin außerordentlich gekündigt. Gegen diese Kündigung hat die Mitarbeiterin geklagt und ist letztinstanzlich d.h. vor dem BAG unterlegen.
Das Bundesarbeitsgericht hat festgehalten, dass die ausgesprochene Kündigung wirksam war. Dabei waren mehrere Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zuerst hat das BAG festgehalten, dass Straftaten als Zufallfund (§ 32 BDSG) die im Rahmen einer verdeckten Videoüberwachung aufgedeckt werden, auch wenn es um eine andere Zielrichtung geht, keinem Beweisverwertungsverbot unterliegen. Das Videoband kann als Beweis verwertet werden. Durch diese Verwertung kommt es zu keiner Verletzung des Rechts am eigenen Bild als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Solche Eingriffe in das Recht am eigenen Bild durch verdeckte Videoüberwachung seien gerechtfertigt, wenn ein konkreter Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung besteht und es keine Alternativen zu der Videoüberwachung gibt. In seiner Entscheidung nimmt das BAG ausführlich zu einzelnen Regelungen des BDSG Stellung.
Personenbezogene Daten eines Beschäftigten, in diesem Fall die Videoaufnahme, darf im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes verarbeitet und weiter genutzt werden, „wenn dies für die Entscheidung über die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich ist“ und dies sei bei einer Manipulation der Kasse zulasten des Arbeitgebers der Fall. Das BAG entschied deshalb, dass die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Der Schaden ist zwar gering und die Arbeitnehmerin immerhin schon 15 Jahre beschäftigt. Die gezielte Manipulation von Kassenvorgängen durch eine stellvertretende Filialleiterin sei jedoch ein solch erheblicher Vertrauensbruch, dass dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertige.
Die hohe Relevanz dieses Falles resultiert daraus, dass hier im Gegensatz zu dem „Emmely“-Fall (BAG AZ: 2 AZR 541/10), eine fristlose Kündigung für wirksam erachtet wird. Bei Emmely ging es um die Kassiererin Frau Barbara E., auch verkürzt „Emmely“ genannt, welche Pfandbon mit einem Wert von 1,30 € unterschlagen hat. Hier war das BAG noch davon ausgegangen, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam sei. Das Argument des BAG war, dass die Mitarbeiterin sich über die vielen Jahre der Beschäftigung ein hohes Vertrauen aufgebaut habe, welches auch durch den Diebstahl nicht vollständig abgebaut worden sei. Letztendlich hat das BAG in dieser Entscheidung festgehalten, dass nicht jede Verletzung von Vermögensinteressen des Arbeitgebers ein Kündigungsgrund ist. Auch wenn ein Diebstahl bzw. ein Unterschlagung feststand, entschied das BAG entschied, dass eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre. In Konsequenz hatte die Emmely Entscheidung dazu geführt, dass seither bei außerordentlichen Kündigungen regelmäßig als Voraussetzung der Ausspruch einer Abmahnung zumindest zu prüfen ist. Nunmehr bestätigt das BAG, dass eine Abmahnung eben nicht immer erforderlich ist und eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorhergehende Abmahnung wirksam sein kann. Daneben ist die ausführliche Stellungnahme zu den Voraussetzungen einer Videoüberwachung unter Berücksichtigung der verschiedenen Normen des Bundesdatenschutzgesetzes interessant.
Autor: Fachanwalt für Arbeitsrecht Robert Mudter