RECHT ALLGEMEIN
Kindergeld für Polen Teil 3: Der Wohnsitz im Inland
Autor: Herr Paul Witkowski - Dolmetscher (beeidigt) und Übersetzer (ermächtigt)
1. Problemaufriss
Ein Anspruch auf das Kindergeld setzt nach § 62 I Nr.1 EStG einen Wohnsitz im Inland voraus. Dieses Erfordernis stößt gelegentlich bei polnischen selbständig Erwerbstätigen auf Schwierigkeiten, die ihren familiären Mittelpunkt in Polen haben und in Deutschland ein Gewerbe betreiben. Probleme könnten beispielsweise auftreten, wenn sie im Vordruck E 411 nicht ihren Wohnsitz in Deutschland, sondern in Polen angeben. Zur Ablehnung oder Aufhebung des Kindergeldes seitens der Familienkasse kommt es aber auch, wenn der polnische Kindergeldberechtigte Schreiben der Familienkasse nicht beantwortet, weil er auf Grund des ständigen Kursierens von Deutschland nach Polen und von Polen zurück nach Deutschland den Überblick hinsichtlich des Posteingangs an seinem deutschen Wohnsitz verloren hat.
Für den Bezug von Kindergeld könnte ferner problematisch sein, wenn der polnische Gewerbetreibende in einer Wohnung als Untermieter gemeldet, sein Name jedoch nicht am Briefkasten angebracht ist. Diese oder ähnliche Fälle kommen sehr häufig vor, weil polnische Staatsangehörige, die in Deutschland erwerbstätig sind und deren Familienangehörige in Polen ihren Wohnsitz haben, örtlich nicht gebunden sind. Sie passen ihren Wohnsitz den jeweiligen Arbeitsverhältnissen an und ziehen öfter um, als wenn sie in Deutschland mit ihrer Familie leben würden.
Vor diesem Hintergrund soll dieser Beitrag hinsichtlich der gesetzlichen Anforderungen an einen Wohnsitz im Inland (Deutschland) beseitigen.
2. Gesetzliche Anforderungen an einen Wohnsitz
im Inland (Deutschland)
Zwischen Deutschland und Polen existiert seit 01.Januar 2005 ein Doppelbesteuerungsabkommen (DPA), folglich ist die Frage, ob bei einem polnischen Staatsangehörigen, dessen Familie in Polen lebt, ein die unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht begründender Wohnsitz gegeben ist, nach § 8 Abgabenordnung (AO) zu beurteilen.
Gemäß § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und nutzen wird.
3. Kommentierung durch die Finanzgerichte
Für die Begründung eines Wohnsitzes muss der polnische Staatsangehörige im Mietvertrag als Mieter oder Untermieter ausgewiesen sein. Dem schadet der Umstand nicht, dass er Feiertage wie Weihnachten oder Ostern sowie Wochenenden bei seiner Familie in Polen verbringt. Denn nach der Rechtsprechung der BFH im Urteil vom 24.01.2001 sind die Anforderungen an einen Wohnsitz erfüllt, wenn einem Steuerpflichtigen eine Wohnung zur jederzeitigen Nutzung zur Verfügung steht. In welchem Umfang der Steuerpflichtige die Wohnung nutzt, ist unerheblich. Für die unbeschränkte Einkommenssteuerpflicht nach § 1 EStG reicht es aus, wenn eine natürliche Person mehrere Wohnsitze hat und sich nur ein einziger im Inland befindet. Ein inländischer Wohnsitz führt auch dann zur unbeschränkten Einkommenssteuerpflicht und somit zum Anspruch auf deutsches Kindergeld, wenn der Mittelpunkt der Lebensinteressen sich im Ausland befindet. (BFH Urteil vom 24.01.2001, Az.: IR100/99).
Jedoch genügt es nach der Rechtsprechung nicht, dass sich jemand, der langfristig mit seiner Familie im Ausland wohnt, nur gelegentlich im Urlaub oder zum Besuch in einer Wohnung oder in Räumen aufhält, die ihm zur Verfügung gestellt werden (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.02.2009, Az.:10 K 10364/05 B).
Entscheidend ist, ob objektiv erklärbare Umstände dafür sprechen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung für Zwecke des eigenen Wohnens beibehält. Hierzu können alle Umstände des Einzelfalles herangezogen werden. Sie müssen lediglich nach der Lebenserfahrung den Schluss zulassen, dass der Steuerpflichtige die Wohnung hält, um sie als solche für sich zu nutzen (BFHE Band 182, S. 296, Urteil vom 19.März 1997).
Das Innehaben der Wohnung nach Maßgabe des §8 AO erfordert, die tatsächliche Verfügungsgewalt über sie zu haben (BFH, BStBl II 2001, 294). Es reicht also schon aus, wenn der polnische Staatsangehörige als Untermieter einer Wohnung im Mietvertrag eingetragen ist.
Dipl.-Jur. Paul Witkowski
Am Plessenfelde 8, 30659 Hannover
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