VERSICHERUNGSRECHT
Rechtsschutzversicherung muss Schadensersatzprozess wegen Falschberatung finanzieren
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Rechtsschutzversicherung muss Schadensersatzprozess wegen Falschberatung beim Erwerb einer Eigentumswohnung als Kapitalanlage finanzieren
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden, dass ein Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz für eine Schadensersatzklage gegen einen Kreditgeber gewähren muss, dem vorgeworfen wird, über die Rendite einer Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung falsch beraten zu haben. Ein solcher Prozess fällt nicht unter den Risikoausschluss, wonach für Streitigkeiten, „die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung und Errichtung ... eines vom Versicherungsnehmer zu erwerbenden ... Gebäudes oder Gebäudeteils stehen“, kein Versicherungsschutz besteht (sog. Baurisikoklausel).
Die Klägerin ist bei dem beklagten Versicherer rechtsschutzversichert. Sie erwarb im August 1997 als Kapitalanlage eine ca. 25 qm große, im wesentlichen fertiggestellte Eigentumswohnung in einer Wohnanlage in Hannover zum Preis von 119.000 DM. Die Wohnung wurde als steuerbegünstigte Kapitalanlage vertrieben, ihr Erwerb in vollem Umfang fremdfinanziert. Zu diesem Zweck nahm die Klägerin bei einer Bausparkasse ein „Vorausdarlehen“ über 139.000 DM auf, das später mit einem zeitgleich abgeschlossenen, noch anzusparenden Bausparvertrag getilgt werden sollte. Sie wirft der Bausparkasse Pflichtverletzungen bei der Finanzierungsberatung vor und will diese auf Schadensersatz verklagen. Hierfür verlangt sie von dem beklagten Rechtsschutzversicherer Versicherungsschutz. Der Versicherer hat Deckung verweigert. Er meint, es handele sich um einen Rechtsstreit über die Baufinanzierung, die von der Ausschlussklausel „Baurisiko“ (§ 4 Abs. 1 k ARB 75) umfasst sei.
Dem ist der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe - wie bereits das Landgericht Mannheim in erster Instanz - nicht gefolgt. Auszugehen sei von dem Grundsatz, dass Ausschlussklauseln nicht weiter ausgedehnt werden dürfen, „als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert.“ Zweck der Klausel sei es, die besonders kostenträchtigen und kaum kalkulierbaren Auseinandersetzungen um Baumaßnahmen und unmittelbar begleitende Vorgänge von der Versicherung auszunehmen. Es müsse deshalb ein zeitlicher und innerer sachlicher Zusammenhang mit der Planung und Errichtung der Immobilie gegeben sein. Ein derartiges typisches Baurisiko fehle hier, weil die Klägerin eine Haftung wegen unrichtiger Angaben über erzielbare Mieteinnahmen (überhöht kalkulierte Mieten) und wegen unzutreffender Informationen über die Renditemöglichkeit einer Eigentumswohnung geltend mache. Dabei handele es sich nicht um Baurisiken, sondern um ein Risiko, wie es mit der Finanzierung von Geld- und Vermögensanlagen jeglicher Art verbunden sei und sich unabhängig von der Errichtung eines Gebäudes verwirklichen könne. Der Versicherer sei daher leistungspflichtig.
Gegen das Urteil ist Revision zum Bundesgerichtshof nicht möglich.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 21.03.2002 – 12 U 284/01 -
Hinweis:
§ 4 Abs. 1 k der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 75) lautet:
Der Versicherungsschutz bezieht sich nicht auf die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Planung, Errichtung oder genehmigungspflichtigen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen oder von diesem zu erwerbenden Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils stehen.