BANKRECHT / KAPITALMARKTRECHT
Neuer Markt-Abzocke: Strafbarkeit von Kursmanipulationen durch "Scalping"
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Das Landgericht Stuttgart hat die Angeklagten O. und K. unter anderem wegen verbotener Insidergeschäfte zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
O. war Redakteur von Börsenfachzeitschriften, trat in einschlägigen Fernsehsendungen (3-sat-börse; n-tv usw.) auf und gab dort Anlagetips. 1999 und 2000 galt er sowohl bei interessierten Privatanlegern als auch bei institutionellen Großanlegern als "der Anlagespezialist" und "Meinungsmacher" auf dem Gebiet des "Neuen Marktes".
Gegenstand des Verfahrens sind Vorwürfe, die im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Anlageberater stehen. In dieser Funktion beriet O. für den Bereich des "Neuen Marktes" zwei Aktienfonds mit erheblichem Anlagevolumen, die seine Anlageempfehlungen in der Regel sofort umsetzten. Das machten sich die Angeklagten zunutze. Nach den Feststellungen des Landgerichts gingen sie davon aus, daß eine Kaufempfehlung durch O. an die von ihm beratenen Fonds aufgrund der mit Sicherheit zu erwartenden Orders zu einem Kursanstieg führen würde. Um einen maximalen Gewinn zu erzielen, sollte sich O. zuvor selbst mit den jeweiligen Aktien ein-decken, deren Kurs anschließend durch eine Empfehlung, die die Größenordnung der von den Fonds zu erwerbenden Stückzahlen einschloß, in die Höhe treiben ("pushen") und die Aktien nach dem erwarteten Kursanstieg wieder verkaufen. In einem der Fälle, die den Angeklagten zur Last gelegt werden, hatte O. die Aktien innerhalb gut einer Stunde zunächst selbst erworben und anschließend mit Gewinn wieder verkauft, nachdem er in der Zwischenzeit die Empfehlung ausgesprochen hatte und diese von dem betreffenden Fonds umgesetzt worden war.
Auf diese Weise erwirtschaftete O. im Tatzeitraum vom 9. Oktober 2000 bis zum 23. Oktober 2000 teilweise für sich allein, teilweise für sich und K. sowie von diesem angeworbene private Geldgeber bei einem Aktienumsatz im Volumen von 846.421,10 € einen Gewinn von umgerechnet insgesamt 115.262,10 €. Den Geldgebern waren die Geschäfte im Hinblick auf die Möglichkeiten der Kursbeeinflussung durch O. als absolut sicher beschrieben worden.
Die von den Angeklagten praktizierte Vorgehensweise -Erwerb von Aktien in der Absicht, diese anschließend zum Kauf zu empfehlen, um sie dann bei infolge der Empfehlung steigendem Kurs wieder zu verkaufen- bezeichnet man als "Scalping".
Im vorliegenden Revisionsverfahren ging es vor allem um die höchstrichterlich bislang nicht geklärte Streitfrage, ob "Scalping" als verbotenes Insidergeschäft gemäß §§ 13, 14, 38 Abs.1 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) oder als unzulässige Kursmanipulation nach dem zur Tatzeit geltenden § 88 Nr. 2 Börsengesetz a.F. (jetzt § 20a Abs.1 Nr. 2 WpHG) einzustufen ist. Die Vorinstanz war der vom Landgericht Frankfurt am Main im "Fall Prior" und der im Schrifttum verbreiteten Ansicht gefolgt, wonach in diesen Fällen ein Insidergeschäft vorliege.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 20a WpHG, der auf den Entwurf einer EG-Richtline über Insidergeschäfte und Marktmanipulation zurückgeht, entschieden, daß hier die Vorschriften über eine verbotene Kursmanipulation anzuwenden sind; um ein Insidergeschäft handelt es sich nicht. Die für § 88 Nr. 2 BörsenG a.F. erforderliche Täuschungshandlung sah der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall darin, daß die Empfehlungen an die Fonds mit dem Ziel der Kursbeeinflussung ausgesprochen wurden. Bei dieser Sachlage kam es nicht darauf an, ob die jeweiligen Aktien auch bei sachgerechter Beurteilung empfehlenswert waren, worauf sich der Angeklagte O. unter anderem berufen hatte.
Auf die Revision der Angeklagten hat der Bundesgerichtshof das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Das Landgericht Stuttgart muß nun das Verhalten der Angeklagten im Hinblick auf Verstöße gegen § 88 Nr.2 BörsG oder § 20a Abs.1 Nr.2 WpHG erneut prüfen.
Urteil vom 6. November 2003 – 1 StR 24/03